Blackout
Stimme wirkte abwehrend und hart. Die Feindseligkeit, die Milo beschrieben hatte, war augenblicklich zu spüren. Ich fragte mich, ob sie zu denen gehörte, die psychologische Wachsamkeit zu einer Kunstform entwickelt hatten.
Ich ging zu ihr hin, stellte mich vor und zeigte ihr die Ausweiskarte. Sie betrachtete sie genau. »Doktor der Philosophie - welche Fachrichtung?«
»Psychologie.« , Sie schaute mich herablassend an.
»Wenn die Polizei nicht zu Rande kommt, schickt sie die Psychiater, wie?«
»So einfach ist es nicht.«
»Ersparen Sie mir die Details.« Sie wandte sich wieder ihren Korrekturen zu.
»Ich wollte nur ein paar Minuten mit Ihnen reden. Über Ihre Freundin.«
»Ich habe dem großen Polizisten alles gesagt, was ich weiß.«
»Ich wollte es nur noch einmal überprüfen.«
»Wie sorgfältig.« Sie nahm ihren roten Stift und bearbeitete damit das Blatt, das vor ihr lag. Mir taten die Schüler leid, deren Arbeiten gerade jetzt begutachtet wurden.
»Es handelt sich nicht um ein psychologisches Gespräch, wenn es das ist, worüber Sie sich Sorgen machen. Es geht -«
»Ich mache mir überhaupt keine Sorgen. Ich habe ihm alles gesagt.«
»Er ist anderer Meinung.«
Sie knallte den Stift auf das Pult. Die Spitze brach ab. »Wollen Sie mich eine Lügnerin nennen, Mister?« Sie sprach hart und artikuliert; dennoch war ein weicher, lateinischer Azkent zu hören. Ich zuckte mit den Schultern.
»Wissen Sie, ich finde diese Bezeichnungen völlig unbedeutend. Ich möchte nur soviel wie möglich über Elaine Gutierrez herausfinden, damit die Polizei ihren Tod klären und den Mörder überführen kann.«
»Elena«, zischte sie. »Und ich kann Ihnen nichts erzählen. Die Polizei soll gefälligst ihre Arbeit tun und aufhören damit, sogenannte wissenschaftliche Schnüffler herumzuschicken, die einen belästigen. Ich habe zu tun.«
»Zuviel zu tun, um mitzuhelfen bei der Suche nach dem Mörder Ihrer besten Freundin?«
Ihr Kopf fuhr hoch. Sie wischte sich wütend eine lose Strähne aus dem Gesicht.
»Bitte, gehen Sie«, sagte sie mit zusammengepreßten Zähnen. »Ich habe zu tun.«
»Ja, das sagen Sie dauernd. Sie essen nicht einmal mit den anderen Lehrern. Sie sind sehr fleißig und sehr ernst bei der Sache - das war auch nötig, wenn Sie aus dem barrio herauskommen wollten -, und Sie glauben, daß Sie sich deshalb nicht um die allgemeinen Regeln der Höflichkeit zu kümmern brauchen.« Sie stand auf, und ich dachte schon, daß sie mir eine Ohrfeige geben würde, als sie mit dem Arm ausholte. Doch dann riß sie sich zusammen und starrte mich nur wütend an. Ich fühlte, wie die scharfe Hitze ihres Zorns in meine Richtung strömte, aber ich hielt ihrem Blick stand. Jaroslav wäre stolz gewesen auf mich.
»Ich habe zu tun«, sagte sie schließlich, aber jetzt klang es fast flehend, so, als versuche sie, sich selbst davon zu überzeugen.
»Ich habe nicht die Absicht, Sie auf eine längere Vergnügungsfahrt einzuladen. Ich möchte Ihnen lediglich ein paar Fragen über Elena stellen.« Sie setzte sich.
»Was sind Sie für ein Psychologe? Sie sprechen nicht so wie die anderen.«
Ich gab ihr einen kurzen Überblick, was meine Beziehung zu dem Fall betraf, und versuchte, ziemlich vage zu bleiben. Sie hörte zu, und ich glaubte zu sehen, wie sie allmählich weicher wurde.
»Ein Kinderpsychologe. So was könnten wir hier auch brauchen. «
Ich schaute mich in dem Klassenzimmer um und zählte sechsundvierzig Bänke in einem Raum, der für höchstens achtundzwanzig bis dreißig bestimmt war.
»Ich wüßte nicht, wie ich Ihnen helfen könnte. Sollte ich versuchen, die Kinder während des Unterrichts hier festzubinden?«
Sie lachte, dann erst wurde es ihr bewußt, und sie hörte auf, als ob sie eine falsche Verbindung am Telefon abbräche. »Es hat keinen Sinn, über Elena zu sprechen«, sagte sie. »Sie ist nur deshalb in- in Schwierigkeiten geraten, weil sie mit diesem - diesem…« Sie verstummte.
»Ich weiß, daß Handler ein ekelhafter Kerl war. Detective Sturgis - der große Polizeibeamte, der mit Ihnen gesprochen hat - weiß es auch. Und Sie haben vermutlich recht. Sie war ein unschuldiges Opfer. Aber wir müssen ganz sichergehen, verstehen Sie?«
»Tun Sie das öfters? Ich meine, für die Polizei arbeiten?«
»Nein. Ich bin im Ruhestand.«
Jetzt schaute sie mich ungläubig an. »In Ihrem Alter?«
»Ausgebrannt. Die Nachwehen eines traumatischen Falles.« Damit traf ich ins Schwarze. Sie lockerte
Weitere Kostenlose Bücher