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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Bewegung setzten, und einen Basset, der halbherzig den dunkler werdenden Himmel anbellte. Das Schulgebäude war früher eine Kaserne gewesen, der Turnsaal ein Waffenlager des zweiten Weltkriegs, wurde ich informiert. Beide waren kunstvoll und kreativ umgestaltet worden, von jemandem, der ein Gefühl für Tarnung hatte. Dem Künstler gebührte ein Kompliment.
    »Das ist die Arbeit von Reverend Gus. Seine Handschrift ist hier auf jedem Quadratzentimeter zu erkennen. Ein bemerkenswerter Mann.«
    Als wir auf das Büro von McCaffrey zugingen, sah ich wieder die seltsamen Schlackesteinbauten am Waldrand. Aus der geringeren Entfernung erkannte ich jetzt, daß es vier einzelne Bauwerke waren, mit glatten Betondächern, fensterlos und zur Hälfte in der Erde versenkt wie Silos oder Bunker, wobei tunnelartige Rampen hinunterführten zu Stahltüren, deren obere Hälften über die Erdoberfläche herausragten. Kruger schien nicht geneigt zu sein, mir zu erklären, was das für Gebäude waren, daher fragte ich ihn. Er schaute über die Schulter.
    »Lagerräume«, sagte er. »Kommen Sie. Wir müssen zurück.« Wir waren in einem großen Kreis gegangen und näherten uns jetzt wieder dem kumulusbemalten Verwaltungsgebäude. Kruger geleitete mich hinein, schüttelte mir die Hand, sagte, er hoffe, bald von mir zu hören, und versprach, die Testbogen für die Aufnahme vorzubereiten, während ich mich mit dem Reverend unterhielt. Dann übergab er mich dem großmütterlichen Charme der Empfangsdame, die sich von ihrer Olivetti losriß und mich liebenswürdig bat, noch einen Augenblick auf den großen Mann zu warten.
    Ich nahm ein Exemplar des ForfMHe-Magazins und versuchte, mich auf einen Artikel über die Zukunft von Mikroprozessoren bei der Werkzeugmacherei zu konzentrieren, aber die Worte verschwammen mir vor den Augen und wurden zu gallertartigen, grauen Flecken. So ging es mir immer, wenn ich die Sprache der Zukunft las.
    Ich hatte kaum die Chance gehabt, meine Beine übereinanderzuschlagen, als sich die Tür öffnete. Offenbar legte man hier großen Wert auf Pünktlichkeit. Ich kam mir vor wie ein Klumpen Rohmaterial- welcher Art, tat nichts zur Sache-, das wie auf einem Fließband fortbewegt wurde, geschmolzen, geformt, behämmert, gehärtet und inspiziert. »Reverend Gus ist bereit, mit Ihnen zu sprechen«, sagte Großmama.
    Jetzt war vermutlich der Zeitpunkt für den letzten Schliff gekommen.

16
    Draußen im Freien hätte er die Sonne verdeckt.
    Er war einsfünfundneunzig groß und wog sicher an die drei Zentner, ein birnenförmiges Gebirge von blassem Fleisch in einem rehbraunen Anzug, mit weißem Hemd und einer schwarzen Krawatte, die so breit war wie ein Hotelhandtuch. Seine hellen Halbschuhe hatten die Größe kleiner Segelboote, die Hände waren zwei Sandsäcke. Er füllte im wahrsten Sinne des Wortes den Türrahmen. Eine schwarze Hornbrille saß auf seiner fleischigen Nase, die ein ungeschlachtes, schwabbeliges Gesicht teilte. Grützbeutel, Leberflecken und vergrößerte Poren bildeten Wegmarkierungen auf den Hängebacken. Die platte Nase erinnerte ein wenig an Afrika, die vollen Lippen waren dunkel und feucht wie rohe Leber, und das kleingekrauste Haar hatte die Farbe verrosteter Eisenrohre. Seine Augen waren bleich, fast farblos. Ich hatte solche Augen schon einmal gesehen. Beim Fischhändler: Schellfisch, in Eis gepackt. »Doktor Delaware, ich bin Augustus McCaffrey.« Seine Riesenhand umschloß die meine, dann ließ sie sie wieder los. Seine Stimme war seltsam leise und sanft. Nach seinem Umfang hätte man so etwas wie ein Nebelhorn erwartet. Aber was herauskam, war ein überraschender lyrischer, kleiner Bariton, der zusätzlich von der faulen Sprechweise des tiefen Südens - Louisiana, schätze ich - aufgeweicht wurde. »Kommen Sie doch rein.«
    Ich folgte ihm, ein Hindu, der seinem Elefanten folgt, in sein Büro. Es war groß und mit mehreren Fenstern ausgestattet, aber nicht wesentlich eleganter eingerichtet als das Wartezimmer. Die Wände waren mit der gleichen, falschen Eiche getäfelt, und hier fehlte jegliche Dekoration bis auf ein großes, hölzernes Kruzifix über dem Schreibtisch, einem Rechteck aus Stahl und Plastik, das aussah, als sei es bei einer Versteigerung von ausrangiertem Staatsinventar erworben worden. Die Decke war vergleichsweise niedrig, durchbrochene weiße Vierecke, die an einen Aluminiumgitter befestigt waren. Hinter dem Schreibtisch befand sich eine Tür. Ich setzte mich in einen von drei

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