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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Hackfleisch, Aspik und überkochtes Gemüse in dicker Soße.
    Wir setzten uns an eine Art Picknick-Tisch, und Kruger ging hinter die Essensausgabe in einen anderen Raum. Als er zurückkam, hatte er ein Tablett mit Kleingebäck und Kaffee in der Hand. Das Gebäck sah erstklassig aus. Ich hatte nichts davon hinter Glas gesehen.
    Auf der anderen Seite des Raums saß eine Gruppe Kinder an einem Tisch und aß und trank unter den wachsamen Augen zweier Praktikanten. Das heißt, sie versuchten zu essen. Selbst aus der Entfernung sah ich, daß sie an zerebralen Lähmungserscheinungen litten; einige von ihnen waren spastisch versteift, andere zuckten unwillkürlich mit dem Kopf und den Gliedmaßen und hatten Mühe, die Nahrung vom Tisch in den Mund zu bekommen. Die Studenten schauten zu und gaben gelegentlich verbale Aufmunterung. Aber sie halfen ihnen nicht körperlich, und dadurch landete eine Menge Gelee und Sahne auf dem Boden.
    Kruger biß mit Genuß in ein Schokoladentörtchen. Ich nahm eine Zimtrolle und stocherte darin herum. Kruger schenkte Kaffee ein und wollte wissen, ob ich noch irgendwelche Fragen hätte.
    »Nein. Es sieht alles sehr beeindruckend aus.«
    »Großartig. Dann will ich Ihnen von der Gentleman’s Brigade berichten.«
    Er gab mir einen geschichtlichen Rückblick auf diese Gruppe von Freiwilligen, wobei er die Klugheit von Reverend Gus betonte, dem es gelungen war, die ansässigen Firmen daran teilnehmen zu lassen.
    »Die Gentlemen sind alle reife, erfolgreiche Männer. Sie repräsentieren für die meisten dieser Kinder die einzige Möglichkeit, gefestigte menschliche Rollenmodelle zu sehen und zu studieren. Es handelt sich um Erfolgsmenschen, um die Creme der Gesellschaft, i und als solche gewähren sie den Kindern einen seltenen Ausblick auf persönlichen Erfolg. Dieser Erfolg zeigt ihnen auf anschauliche Weise, daß es in der Tat auch dem Individuum möglich ist, erfolgreich zu sein. Sie verbringen ihre Zeit mit den Kindern hier, in La Casa, und nehmen sie auch mit nach draußen, zu Sportveranstaltungen, ins Kino, ins Theater, nach Disneyland. Und in ihre Häuser, zu einem gelegentlichen Dinner mit der Familie. Das ermöglicht den Kindern den Zugang zu einem Lebensstil, den sie bis dahin nicht gekannt haben. Und auch für die Männer ist es eine Befriedigung. Wir fordern eine Beitrittsdauer von sechs Monaten, und sechzig Prozent unterschreiben ein zweites und drittes Mal.«
    »Kann das nicht auch frustrierend sein für die Kinder«, sagte ich, »wenn sie auf diese Weise einen Geschmack vom guten Leben bekommen, das so weit außerhalb ihrer Möglichkeiten liegt?«
    Darauf war er vorbereitet.
    »Eine gute Frage, Doktor. Aber wir gehen davon aus, daß nichts außerhalb der Möglichkeiten dieser Kinder liegt. Sie sollen fühlen, daß nichts sie einschränkt außer ihrer eigenen Motivation. Daß sie die Verantwortung für sich übernehmen müssen. Und daß sie auch nach den Sternen greifen können - das ist übrigens der Titel eines Buches, das Reverend Gus für Kinder geschrieben hat. Der Griff nach den Sternen. Es enthält Cartoons, Spiele, Seiten zum Ausmalen. Und es bringt ihnen die positive Botschaft nahe.«
    Das Ganze war Norman Vincent Peale, gewürzt mit etwas verblasenem, humanistisch-psychologischem Jargon. Ich schaute hinüber und sah die Kinder mit der Gehirnlähmung, wie sie mit ihrer Nahrung kämpften. Und wenn man sie noch so oft mit den Mitgliedern der privilegierten Klasse in Berührung brachte, nichts würde ihnen eine Mitgliedschaft im Jachtklub, eine Einladung zum Debütantenball der oberen Fünfhundert in San Marino oder einen Mercedes in der Garage einbringen.
    Auch das positive Denken hatte seine Grenzen. Aber Kruger hatte nun mal seinen Text gelernt, und er hielt sich daran. Er war verdammt gut, das mußte ich ihm zubilligen, hatte alle richtigen Zeitschriften gelesen und konnte Statistiken herunterrasseln wie ein Eierkopf von der Rand Corporation. Es war das Spiel, das die Zuhörer zum Griff nach der Brieftasche animierte.
    »Kann ich Ihnen noch etwas bringen?« fragte er, nachdem er sein zweites Gebäck vertilgt hatte. Ich hatte mein erstes noch kaum angerührt. »Nein, danke.«
    »Dann gehen wir zurück; es ist fast vier.« Wir gingen rasch durch den Rest des Geländes. Es gab einen Hühnerstall, wo zwei Dutzend Hennen wie Skinnersche Tauben auf der Stange saßen, eine Ziege, die mit einer langen Leine an einen Pfahl gebunden war, Hamster, die endlos ihre Plastik-Treträder in

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