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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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wissen, die meisten der Kinder in La Casa wurden statistisch erfaßt, bevor sie hierherkamen - sie waren Zahlenwerte der Ärzte in den Karteien des Fürsorgeamts, Codezahlen fürs Sozialamt, bei den IQ-Tests. Alle diese Zahlenwerte sagten, daß für sie im Grunde keinerlei Hoffnung bestand. Aber wir nehmen diese »hoffnungslosen Fälle‹ auf und machen aus Zahlen kleine Individuen. Ich kümmere mich nicht um Intelligenzquotienten eines Kindes, ich will ihm helfen, sein Geburtsrecht als menschliches Wesen durchzusetzen - ich versuche, ihm die Chancen zu geben, die grundlegende körperliche Gesundheit und Wohlfahrt und, wenn Sie mir den klerikalen Ausrutscher verzeihen, die Entwicklung seiner Seele. Denn jedem dieser Kinder wohnt eine Seele inne, selbst denen, die auf einer niedrigen Stufe dahinvegetieren.«
    »Ich gebe Ihnen recht: Es ist nicht gut, sich von Zahlen einschränken zu lassen.« Sein Angestellter, dieser Kruger, war allerdings sehr schnell mit Statistiken bei der Hand gewesen, wenn sie seinem Zweck dienten, und ich hätte wetten mögen, daß La Casa den einen oder anderen Computer benützte, um die richtigen Zahlen liefern zu können, falls es die Gelegenheit erforderte.
    »Unsere Arbeit zielt dahin, eine Veränderung zu bewirken. Es ist eine Art Alchemie. Deshalb betrübt mich Selbstmord - ein jeder Selbstmord - immer besonders tief. Denn alle Menschen sind in der Lage, das Heil zu erfahren. Dieser Mann war ein Feigling, ein Drückeberger im letzten und äußersten Sinn. Aber der Drückeberger«, er senkte seine Stimme, »ist eigentlich der Archetyp des modernen Menschen, nicht wahr, Doktor? Es ist geradezu modisch geworden, nach der geringsten Enttäuschung bei irgendwelchen Mühen die Hände hochzureißen und verzweifelt zu sein. Heutzutage will jeder schnelle und leichte Lösungen sehen.«
    Einschließlich derer, dachte ich, die mit zweiunddreißig in den Ruhestand gehen.
    »Auch heute ereignen sich Tag für Tag neue Wunder, und genau aus diesem Grund. Kinder, die schon aufgegeben waren, gewinnen ein neues Selbstgefühl. Ein Kleinkind, das noch nicht sauber war, lernt es, sich hinsichtlich der Entleerung zu beherrschen.« Er legte eine Pause ein wie ein Politiker bei einem Applauszeichen in seinem Redemanuskript. »Angeblich behinderte Kinder lernen Lesen und Schreiben. Das sind vielleicht nur kleine Wunder, wenn man sie mit der Eroberung des Mondes mißt, aber möglicherweise sind es die größeren.« Er zog die Augenbrauen hoch, und die dicken Lippen teilten sich, um ein weit auseinanderstehendes Pferdegebiß zu enthüllen. »Natürlich, Doktor, wenn Sie das Wort ›Wunder‹ für unangemessen sektiererisch halten, können wir es durch Erfolg ersetzen. Das ist ein Wort, an das sich auch der Durchschnittsamerikaner halten kann. Erfolg.«
    Von jemand anderem wäre das eine billige Wegwerf-Rede gewesen, würdig eines Fernsehpredigers am Sonntagvormittag. Aber McCaffrey war gut, und seine Worte trugen die Überzeugung eines Mannes, der dazu bestimmt war, seine heilige Mission in die Tat umzusetzen.
    »Darf ich wissen«, fragte er jetzt sehr liebenswürdig, »warum Sie sich aus dem Berufsleben zurückgezogen haben?«
    »Ich wollte eine andere Gangart einlegen, Reverend. Zeit haben, meine Wertbegriffe auszusortieren.«
    »Ich verstehe. Das Nachdenken, die Reflexion kann überaus wertvoll sein für den Menschen. Aber ich bin sicher, Sie werden nicht allzu lange Ihrem Beruf fernbleiben. Ich hoffe es, denn wir brauchen gerade auf Ihrem Gebiet gute Leute.«
    Er predigte immer noch, aber jetzt mischte er eine Portion Ego-Massage hinzu. Ich verstand sehr gut, warum ihn die großen Tiere in den Firmen liebten.
    »Es ist in der Tat so, daß mir die Arbeit mit Kindern fehlt, und das ist einer der Gründe, weshalb ich hier bin.«
    »Fabelhaft, fabelhaft. Der Verlust der Psychologie wird unser Gewinn sein. Sie haben beim Western Pediatric Center gearbeitet, nicht wahr?«
    »Dort, und außerdem hatte ich meine Privatpraxis.«
    »Ein erstklassiges Krankenhaus. Wir schicken viele unserer Kinder dorthin, wenn sich die Notwendigkeit einer umfassenden medizinischen Betreuung ergibt. Ich kenne mehrere Ärzte dort, und viele von ihnen waren sehr großzügig; sie haben uns viel von ihrer Zeit gewidmet.«
    »Es sind vielbeschäftigte Leute, Reverend- Sie müssen sehr überzeugend auf sie gewirkt haben.«
    »Das will ich nicht sagen. Aber ich erkenne natürlich die Existenz der grundlegenden menschlichen Neigung, zu geben,

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