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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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und so getan haben, als hätten wir Schreibmaschinen und Schreibtische dort draußen. Und plötzlich ist es schlimm geworden für sie.« Ich schob meinen Teller zur Seite. »Glauben Sie, wir sollten gehen?« fragte ich. »Warten wir eine Weile.« Sie schenkte mir Kaffee ein und nahm auch selbst eine Tasse. »Es ist respektvoller.« Durch die Fliegengittertür sah ich Rafaels blonden Schopf über dem Rand des Sessels. Sein Arm war nach unten gesunken, so daß die Fingerspitzen den Boden berührten. Er war jenseits von Freude und Schmerz. »Hat sie über ihn gesprochen?« fragte ich. »Nein. Wie ich Ihnen sagte, es ist leichter, so zu tun, als wäre gar nichts.«
    »Aber wie kann er hier sitzen und sich einen Schuß verpassen, praktisch vor ihren Augen, ohne daß sie irgendwie darauf reagiert?«
    »Sie hat viel geweint darüber. Nach einer Weile akzeptiert man es, daß die Dinge nicht so laufen, wie man will. Sie hat viel Übung darin, das können Sie mir glauben. Wenn Sie sie nach ihm fragen, würde sie behaupten, er sei krank. So, als ob er eine Erkältung hätte oder die Masern. Und als ob man nur die richtige Kur dafür zu finden brauchte. Haben Sie von den curanderos gehört?«
    »Diesen Volksdoktoren? Ja. Viele der spanischen Patienten im Krankenhaus haben ihre Dienste zusammen mit der konventionellen Medizin in Anspruch genommen.«
    »Aber wissen Sie auch, wie diese curanderos arbeiten? Sie kümmern sich im wahren Sinne des Wortes um den Patienten. In unserer Kultur betrachtet man den kalten, rein berufsmäßigen Facharzt als einen, der sich einfach nicht genug um den Patienten kümmert und der ebensogut den mal ojo, den bösen Blick austeilen wie einen Kranken kurieren kann. Der curandero dagegen hat wenig Ausbildung oder Technologie zur Verfügung- im besten Fall ein bißchen Schlangenpulver und ähnliches. Aber er kümmert sich um seine Patienten. Er lebt hier in der Gemeinschaft, er ist warmherzig und hat enge persönliche Beziehungen zu den Leuten. In gewisser Weise ist er eher ein Volkspsychologe als ein Volksarzt. Sehen Sie, deshalb habe ich vorgeschlagen, daß Sie essen sollten- um eine persönliche Bindung herzustellen. Ich habe ihr gesagt, daß Sie ein Mensch sind, der sich um andere kümmert. Sonst würde sie gar nichts sagen. Sie wäre höflich, damenhaft- Cruz ist von der alten Schule-, aber sie würde Sie bitten, zu gehen.« Raquel trank einen Schluck Kaffee. »Deshalb hat die Polizei nichts aus ihr herausgefunden, als sie hierherkam, und das ist meistens so im Echo Park, in Ost Los Angeles oder San Francisco. Die Polizisten sind zu professionell. Ganz gleich, wie gut sie es meinen, wir sehen sie als Anglos und als menschliche Roboter. Sie kümmern sich doch um die Menschen, Alex, oder nicht?«
    »Ich kümmere mich um sie.« Sie berührte mein Knie.
    »Mama Cruz hat Rafael vor Jahren zu einem curandero gebracht, als er die ersten Male ausgeflippt ist. Der Mann schaute ihm in die Augen und sagte, daß sie leer seien. Er teilte ihr mit, daß das eine Krankheit der Seele und nicht eine des Körpers sei. Daß man den Jungen an die Kirche geben sollte, als Priester oder Mönch, damit er dort eine nützliche Rolle für sich finden könnte.«
    »Kein schlechter Rat.«
    Sie trank wieder einen Schluck. »Nein. Manche von ihnen sind sehr klug. Sie leben yon ihrer Klugheit. Vielleicht wäre Rafael nicht süchtig geworden, wenn Cruz seinem Rat gefolgt wäre. Wer weiß? Aber sie wollte ihn nicht hergeben. Es würde mich nicht wundern, wenn sie sich jetzt Vorwürfe machte wegen dem, was aus ihm geworden ist. Und wegen allem.« Die Küchentür öffnete sich. Mrs. Gutierrez kam heraus, hatte sich ein schwarzes Band um den Arm gebunden und zeigte ein neues Gesicht, das mehr war als nur frisches Make-up. Ein Gesicht, das gehärtet war, um der Tortur einer Befragung zu widerstehen.
    Sie setzte sich neben Raquel und flüsterte ihr etwas auf Spanisch zu.
    »Sie sagt, daß Sie ihr jetzt jede Frage stellen können, wenn Sie wollen.«
    Ich nickte und hoffte, daß sie diese Geste als Dankbarkeit deutete.
    »Bitte, sagen Sie der Senora, daß ich ihr mein tiefes Beileid zu ihrem tragischen Verlust aussprechen möchte. Ich bin ihr sehr dankbar, daß sie sich in all ihrer Trauer die Zeit genommen hat, mit mir zu sprechen.«
    Die alte Frau hörte der Übersetzung zu und bestätigte mir ihr Verständnis mit einem kurzen Kopfnicken.
    »Fragen Sie sie, Raquel, ob Elena jemals mit ihr über ihre Arbeit gesprochen hat. Vor allem im

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