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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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hierherzukommen. Dazu in einem großen Straßenkreuzer.«
    »Seit wann sind Sie weg?«
    »Seit tausend Jahren.«
    Sie schien nicht mehr dazu sagen zu wollen, also ließen wir das Thema fallen. Am Fairbanks Place sagte sie mir, ich solle links abbiegen. Das Häuschen der Gutierrez’ war am Ende einer gewundenen, schmalen Gasse, die erst steil anstieg und sich dann kurz nach dem ersten Hügel in eine Kiesstraße verwandelte. Noch eine Viertelmeile, und wir wären die einzigen Menschen auf der Erde gewesen.
    Ich hatte früher schon bemerkt, daß Raquel die Gewohnheit hatte, sich zu beißen - in die Lippen, die Finger, die Knöchel -, wenn sie nervös war. Und auch jetzt kaute sie an ihrem Daumen. Ich fragte mich, welchen Hunger sie damit stillen wollte.
    Vorsichtig fuhr ich weiter - teilweise war die Gasse so eng, daß nur für einen einzigen Wagen Platz war - und kam an jungen Männern in T-Shirts vorbei, die an alten Autos mit der Hingäbe von Priestern vor dem Tabernakel arbeiteten, an Kindern, die ihre bonbonverklebten Finger lutschten. Vor langer Zeit hatte manflier in der Straße Ulmen gepflanzt, die inzwischen riesig geworden waren. Ihre Wurzeln hoben das Pflaster des Gehsteigs, und in den Rissen wuchs das Gras. Zweige schabten über das Dach des Wagens. Eine alte Frau mit offenen Beinen, die sie in Lumpen gewickelt hatte, schob einen Einkaufswagen voll Erinnerungen eine Steigung hinauf, die einer Straße von San Francisco gut angestanden hätte. Graffiti zierten jede freie Fläche und verkündeten die Unsterblichkeit von Little Willie Chacon, der Echo Park-Totenkopfbande, von Los Conquistadores, den Lemoyne-Jungs und der Zunge von Maria Paula Bonilla.
    »Dort.« Sie zeigte auf ein hüttenartiges Fachwerkhaus, das hellgrün bemalt und mit brauner Dachpappe gedeckt war. Der kleine Vorgarten war trocken und braun, aber eingerahmt von hoffnungsvollen Geranienbeeten und einem Büschel orangefarbener und roter Mohnblumen, die wie Betrunkene schwankten. Am Fundament des Hauses lagen Steine, aber nur zur Dekoration, und über dem Eingang befand sich ein Portiko, der seinen Schatten auf eine durchgesackte Veranda warf. Auf der Veranda saß ein Mann. »Das ist Rafael, der ältere Bruder. Auf der Veranda.« Ich fand einen Parkplatz neben einem aufgebockten Chevrolet, drehte die Reifen auf den Randstein zu und ließ das Lenkradschloß einrasten. Wir stiegen aus, und bei jedem unserer Schritte wirbelte der Staub hoch.
    »Rafael!« rief sie und winkte. Der Mann auf der Veranda brauchte einen Moment, um den Blick auf uns zu richten, dann hob er grüßend die Hand - ein schwacher Versuch, wie mir schien.
    »Ich hab’ hier gleich um die Ecke gewohnt«, sagte sie, und es klang wie ein Geständnis. Dazu ging sie mir voraus zwei Stufen hinauf und durch ein offenes Tor in den Vorgarten. Der Mann auf der Veranda hatte sich nicht erhoben. Er starrte uns an mit einer Mischung aus Interesse, Neugier und noch etwas anderem, was ich nicht identifizieren konnte. Er war blaß und mager, fast ausgezehrt, und zeigte dieselbe sonderbare Mischung aus lateinamerikanischen Zügen, heller Haut und blondem Haar wie seine tote Schwester. Seine Lippen waren blutlos, die Augen saßen unter schweren Lidern. Er sah aus, als ob er an einer schweren organischen Erkrankung litt. Er trug ein weißes Hemd mit langen Ärmeln, wobei er diese bis zu den Ellbogen hochgekrempelt hatte. Es bauschte sich in der Taille, war offenbar einige Nummern zu groß für ihn. Seine Hose war schwarz und schien früher zum Anzug eines viel fetteren Mannes gehört zu haben. An den Füßen trug er Halbschuhe, die an den Zehen ausgeweitet waren und vorne an der Spitze Sprünge aufwiesen; die Schnürsenkel fehlten, und die Zunge stand heraus und zeigte dicke, weiße Socken darunter. Sein Haar war kurz und glatt nach hinten gekämmt. Er mußte Mitte zwanzig sein, aber er hatte das Gesicht eines alten Mannes, eine wachsame, argwöhnische Maske. Raquel ging zu ihm hin und küßte ihn leicht auf den Kopf. Er blickte zu ihr hoch, rührte sich aber nicht vom Fleck. »Hallo, Rocky.«
    »Rafael, wie geht’s dir?«
    »Okay.« Er nickte, und das sah einen Moment lang so aus, als wenn ihm der Kopf von den Schultern fallen würde. Danach richtete er die Augen auf mich; er hatte offenbar Schwierigkeiten mit der Sehschärfe. Raquel biß sich auf die Unterlippe.
    »Wir sind gekommen, um dich und Andy und Mamma zu besuchen. Das ist Alex Delaware. Er arbeitet für die Polizei und ist mit der

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