Blackout (German Edition)
hob sich deutlich vom dunklen Hintergrund ab. »Es ist ernst, nicht wahr?«, fragte er.
»Da kannst du drauf wetten.«
»Ich habe wirklich keine Fotos von dir und Carla gemacht.« Thomas spuckte Blut auf den Boden.
Finn packte ihn. »Du und ich, wir gehen jetzt zur Polizei. Ich will, dass die endlich anfangen, richtig nach Carla zu suchen.«
»Ich komme mit.« Nick folgte den beiden die Treppe hoch.
Dunkle Regenwolken hingen tief am Himmel. Der nasse Asphalt glänzte, eine düstere Stimmung lag über dem Industrieviertel. Finn, der Thomas immer noch fest im Griff hatte, wandte sich an Nick.
»Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Du hast gesagt, du bist abgehauen. Was denkst du, was die machen, wenn du mit uns dort auftauchst? Die nehmen dich in die Mangel, bis du nicht mehr weißt, wo oben und unten ist.« Finn redete eindringlich auf Nick ein. »Sie haben die Fotos von dir und Carla. Du bist ihr Hauptverdächtiger. Wenn wir Pech haben, konzentrieren sie sich nur auf dich und nehmen die Aussage von Thomas zu wenig ernst. Dann vergeht wieder Zeit. Wertvolle Zeit, in der sie Carla suchen könnten. Wir können uns das nicht leisten.« Er drückte Nick sein Handy in die Hand. »Ich geh jetzt mit Thomas zur Polizei und melde mich, sobald ich kann.«
Finn stieß Thomas in den Rücken. »Fahr voraus!«
Thomas stieg auf seine Maschine.
»Warte!«, rief Nick. »Wie hat er ausgesehen, der Typ, für den du die Fotos gemacht hast?«
Thomas drehte sich um. »So ein hagerer Typ. Ziemlich groß. Kurze, blonde Haare.«
»Kalte, blaue Augen?«
Verblüfft schaute ihn Thomas an. »Ja.«
»Finn, sag der Polizei, dass ich diesen Mann in der Firma meines Vaters gesehen habe!«
20
N icks Gedanken überschlugen sich. Er musste zu Kristen und mit ihr über diesen hageren Blonden sprechen. Über Thomas und die Fotos. Die Puzzleteile diesmal richtig zusammensetzen, sodass sie Sinn ergaben. Er lief los.
Nach kurzer Zeit pochte sein Kopf und seine Seiten schmerzten. Er blieb stehen und beugte sich keuchend vornüber. Aus den Augenwinkeln sah er ein Auto in die Straße einbiegen. Ein Streifenwagen!
Während Nick in seiner Stellung verharrte, suchten seine Augen nach einem Fluchtweg. Links ein leeres Baugrundstück, rechts Lagerhallen. Das Grundstück bot keinen Schutz, und um zu den Hallen zu gelangen, musste er auf die andere Straßenseite. Der Streifenwagen näherte sich im Schritttempo. Nick schätzte seine Chancen ein und riskierte es. Die Hände in den Hosentaschen vergraben und den Kopf leicht eingezogen, überquerte er die Straße äußerlich gelassen und verschwand gerade noch rechtzeitig in einem Durchgang zwischen zwei Hallen. Dort presste er sich an eine Wand und wartete angespannt darauf, dass der Wagen vorbeifuhr. Er hörte jemandensprechen, hielt den Atem an und atmete erst wieder aus, als er eine Tür schlagen hörte und sich das Geräusch des Motors in der Ferne verlor.
Keine weiteren Risiken mehr! Er brauchte ein Versteck. Erfolglos rüttelte er an den Türen zu den Hallen. Sein Blick fiel auf eine Baubaracke auf dem Areal gegenüber. Geduckt rannte er zu ihr hinüber und zog an der baufälligen Tür, die sich mühelos öffnen ließ.
Nick trat ein und schaute sich um. Eine Pritsche im hinteren Teil, ein Tisch beim Fenster, das so schmutzig war, dass man nicht nach draußen blicken konnte. Unter dem Fenster eine Holzbank, zwei alte Stühle, Regale mit bunt zusammengewürfeltem Geschirr, Bierkisten in einer Ecke, alles mit einer Staubschicht bedeckt. Hier war schon lange niemand mehr gewesen.
Er legte Finns Handy auf den Tisch und setzte sich auf die Pritsche. Sobald die Dämmerung hereinbrechen würde, konnte er sich im Schutz der Dunkelheit auf den Weg zu Kristen machen. Erste Regentropfen fielen auf das Wellblechdach. Erschöpft lehnte sich Nick an die Bretterwand. Er wollte ausruhen, nur einen kurzen Moment, aber eine Flut von Bildern und Gedankenfetzen wirbelte durch seinen Kopf. Jetzt, wo er allein war, hatte ihn die Angst voll im Griff. Kalter Schweiß brach ihm aus allen Poren. Er fühlte, wie er die Kontrolle verlor. Gleich würde er ausflippen. Wie damals.
Ein Unfall im Suff. So hatte es ausgesehen. Er hatte die Wahrheit für sich behalten, weil er nicht noch einmal zu diesem Seelenklempner wollte, zu dem ihn seine Eltern geschickt hatten, nachdem sich sein bester Freund an einen Balken gehängt und ihn allein in seinem beschissenenLeben zurückgelassen hatte. Nein, nicht daran denken. Nicht
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