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Blackout (German Edition)

Blackout (German Edition)

Titel: Blackout (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Gabathuler
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an damals und nicht an Carla. Nicht, solange er alleine war. Nick riss die Tür auf, sog die kalte Luft ein und zählte seine Atemzüge. Nichts denken, nur ein- und ausatmen.
    Langsam ließ der Druck auf seiner Brust nach. Er zog sich in die Baracke zurück und zählte die Tassen auf dem Gestell, die leeren Bierflaschen in den Kisten und die Bretter an den Wänden, während er auf das erlösende Klingeln von Finns Handy wartete. Und dann landeten seine Gedanken doch bei Carla.
    Er sah sie vor sich, wie sie in sein Zimmer stürmte, mit den Händen gestikulierte, sich ihre widerspenstigen Haarsträhnen aus dem Gesicht strich und ein Gespräch begann. Sie konnte über die Bedeutung und Auswirkung der sozialen Marktwirtschaft referieren und im gleichen Atemzug fragen: »Warum lässt du deine Haare so ins Gesicht hängen?« Nick war sich sicher, dass sie persönliche Fragen absichtlich so stellte. So dazwischengeworfen. Das Ganze entwickelte sich zu einem Spiel. Sie redete über die politische Situation in Südamerika und fragte im nächsten Moment: »Macht dir Sex Spaß?«, und er antwortete: »Ja, aber nicht mit dem Staatspräsidenten von Kolumbien.«
    »Ein Punkt für dich!«, rief sie bei Antworten, die sie zum Lachen brachten. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen mündeten ihre kleinen Scharmützel immer öfter in ernsthaften Diskussionen. Er vertraute ihr und erzählte ihr Dinge, die er noch nie jemandem erzählt hatte.
    »Du magst Finn nicht«, sagte sie eines Abends. Sie saßauf dem Schreibtisch und spielte mit seinem iPod. Er fühlte sich ertappt.
    »Ich werde nicht schlau aus ihm«, antwortete er nach einigem Zögern.
    »Hm, das sieht man, du gehst ihm aus dem Weg.«
    »Er mir auch«, erwiderte Nick.
    Carla legte den iPod aus den Händen, beugte sich vor und fragte: »Was stört dich denn an ihm?«
    »Er …« Nick lag auf seinem Bett und suchte nach Worten. »Er kommt nach Hause, isst, haut sich aufs Sofa und schaut sich irgendeinen Schrott im Fernsehen an. Oder er geht aus und knallt sich mit Bier die Birne zu.«
    »Das hast du ja nie gemacht«, zog sie ihn auf.
    »Hey! Wir müssen nicht darüber reden!«
    »Doch«, sagte sie, »aber wirf ihm nicht Dinge vor, die du selber auch gemacht hast. Das ist nicht fair. Fehlt nur noch, dass du sagst, er hängt mit den falschen Leuten rum.«
    Volltreffer! Er schwieg.
    »Wir können leicht reden«, meinte sie. »Wir sind immer nur zur Schule gegangen. Finn führt ein ganz anderes Leben als du und ich. Er macht eine Lehre. Weißt du, manchmal denke ich, dass das ziemlich anstrengend ist. Den ganzen Tag in der Schreinerei ackern und dann noch die Hausaufgaben für die Berufsschule machen.«
    Nick starrte an die Zimmerdecke.
    »Wir wissen ja gar nicht, was es bedeutet, jeden Tag körperlich zu arbeiten, einen Job zu erledigen, Verantwortung zu tragen. Da bist du am Abend müde. Was ist denn schon dabei, sich vor den Fernseher zu knallen?«
    Sie hatte ja recht. Finn nahm seine Lehre ernst. Vielleichtverachtete er Nick deshalb dafür, dass er nichts aus seinem Leben gemacht hatte. Bei all den Chancen.
    »Er mag mich auch nicht«, sagte Nick.
    Sie setzte die Kopfhörer seines iPods auf und drückte auf Play.
    »Du hörst Züri West? Hätte ich nicht gedacht. Gute Band.«
    Sie nahm die Kopfhörer wieder ab.
    »Wird schon werden«, meinte sie.
    Wird schon werden. Wenn jemand Finn kannte, dann Carla. Hoffentlich hatte sie recht gehabt. Finn musste ihn ja nicht mögen; es reichte, wenn er ihn nicht der Polizei verriet.
    Obwohl Nick den Moment herbeigesehnt hatte, zuckte er zusammen, als plötzlich das Riff von Smoke on the Water durch die Baracke dröhnte. Er nahm das Handy vom Tisch und drückte die Antworttaste.
    »Nick?«
    »Ja.«
    »Bist du okay?«
    »Ja«, log Nick.
    »Wo bist du?«
    Nick zögerte einen Moment. Er wusste nicht, was auf der Polizeistation geschehen war, aber er musste Finn vertrauen und es darauf ankommen lassen. Schon, um endlich nicht mehr allein zu sein mit seinen Dämonen.
    »In der Nähe der alten Lagerhallen.«
    »Okay, ich weiß, wo das ist. Ich treffe dich vor dem Bowling-Center an der Straße. In fünf Minuten.«
    Finn hatte aufgelegt. Nick öffnete die Tür und gingdurch den strömenden Regen zum vereinbarten Treffpunkt. Er brauchte nicht lange zu warten. Der Motor von Finns Maschine war von Weitem zu hören, wenig später durchbrach ein Lichtkegel den Regenschleier.
    »Oh Mann, was für ein Scheißwetter«, begrüßte ihn Finn.
    »Wie ist es

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