BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Verkehrsmittel nicht zur Arbeit erscheinen. Und ohne Strom können wir auch nicht auf unsere Computer zugreifen, in denen sämtliche Daten gespeichert sind.«
Hartlandt verkniff sich eine Bemerkung über mangelnde Stromversorgung eines großen Zulieferers der Energieindustrie, stattdessen nickte er nur leicht. »Ich kümmere mich darum. Wir werden hier zumindest eine Mindestversorgung etablieren. Dazu brauchen wir bis morgen. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Angestellten dann da sind. Außerdem benötige ich drei Räume hier im Haus als Quartier für mich und meine Leute und für ein Lagezentrum.«
Berlin
Michelsen stieg aus der Dusche und trocknete sich ab. Rasch brachte sie ihre Haare in Ordnung, trug ein wenig Schminke auf und zog sich an. Als sie das kleine Bad verließ, warteten bereits zwei andere. Die vier kleinen Kojen im Keller des Ministeriums waren eine beliebte Anlaufstelle. Einer der wenigen Orte in Berlin, an denen man noch einigermaßen normale Körperhygiene pflegen konnte.
Michelsen nahm den Fahrstuhl in den dritten Stock.
Im Krisenstab ging es zu wie in einem Bienenstock. Ein Kollege streckte einen Telefonhörer in die Luft und rief ihren Namen.
Am anderen Ende meldete sich Jürgen Hartlandt. Sie hatte ihn kurz per Bildschirmtelefonat kennengelernt, nachdem der Krisenstab beschlossen hatte, Sonderermittler zu Talaefer zu schicken.
»Talaefer hat keinen Strom«, erklärte der BKA -Mann nach einer knappen Begrüßung. »Wir brauchen ein paar Generatoren.«
Michelsen schloss für einen Moment die Augen und seufzte.
»Ich kümmere mich darum. Ich rufe Sie zurück.«
Michelsen wusste, dass es eilte. Doch alles eilte in diesen Tagen. Sie ging zum Kontaktmann des Technischen Hilfswerks und erklärte ihm das Problem.
»Alle brauchen Generatoren«, schnaubte er. »Und den Treibstoff dazu. In den vergangenen zwei Tagen haben wir so gut wie alle verteilt.«
»Ich weiß, ich weiß … Aber das hier ist wichtig.«
»Ich weiß.« Der Mann zuckte mit den Achseln. »Aber Sie kennen das Problem ja selbst.«
Auf seinem Computer rief er eine Deutschlandkarte auf. Darauf waren unzählige Punkte in verschiedenen Farben verteilt. Sie häuften sich in und um die Städte. Mit ein paar Tastenbefehlen blieben schließlich nur noch die dunkelblauen Punkte übrig.
»Gepriesen seien unsere Geodatenprogramme! Haben auch genug gekostet. Aber immerhin sind wir jetzt gut organisiert. Hier sind alle unsere Notstromsysteme eingetragen. In der Liste rechts sehen Sie, wie viele noch verfügbar sind.«
»Die Liste ist leer«, bemerkte Michelsen.
»Messerscharf erkannt. Das Problem besteht also darin, dass wir Generatoren, die Sie bei Talaefer einsetzen wollten, woanders abziehen müssen. Die Betroffenen werden sich nicht freuen.«
»Das tut mir leid für sie«, erwiderte Michelsen. »Aber diese Ermittlungen gehen vor. Sie wissen besser, wer wo wie versorgt ist. Entscheiden Sie, wer in Düsseldorf oder Umgebung am ehesten auf den Notstrom verzichten kann. Ich übernehme die Verantwortung.«
Der Mann scrollte eine Weile durch eine andere Liste. Dann sagte er: »Ich hätte da einen Lokalpolitiker in Düsseldorf, der tatsächlich Generatoren für sein Restaurant und sein Fitnessstudio bekam. Mit dem Argument, dass er für die Lebensmittelversorgung und Gesundheit der Bevölkerung verantwortlich sei.«
»Zu ein paar Ausnahmen waren wir gezwungen.«
»Gezwungen …«, spuckte der Mann spöttisch aus.
»Aber vielleicht kann man ja eine davon jetzt rückgängig machen, was meinen Sie?«
»Nichts lieber als das.«
Düsseldorf
Die Szenen erinnerten ihn an seine früheste Kindheit, doch er wusste nicht einmal, ob er die Bilder in seinem Kopf nur aus den Medien hatte. So leer hatte Hartlandt deutsche Straßen lange nicht gesehen. Kaum jemand hatte noch Treibstoff im Tank. Tanken konnte nur, wer einen Berechtigungsschein hatte. Und die wurden ausschließlich an jene vergeben, die für die Versorgung der Bevölkerung die notwendigsten Güter transportierten. Auch Menschen waren nur vereinzelt zu sehen. Stattdessen wucherten Berge von Müllsäcken auf den Bürgersteigen. Eine gespenstische Stimmung herrschte in der Stadt.
Im Rückspiegel beobachtete er den Konvoi. Der Lastwagen mit dem Hebearm folgte ihm. Dahinter wusste er einen Kleinbus der Düsseldorfer Polizei mit sechs Beamten. Sie mussten darauf vorbereitet sein, dass in diesen Tagen niemand seine Stromversorgung freiwillig hergab, auch wenn sie ihm nicht gehörte.
Keine
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