BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
kurz und geradeheraus: Hätten Sie Lust, in einen Ort namens Ratingen bei Düsseldorf zu fahren und dort Ihre Fähigkeiten einzusetzen?«
Manzano hob überrascht die Augenbrauen.
»Ich bin kein SCADA -Spezialist.«
Bollard grinste ihn an.
»Ich glaube Ihnen viel, sogar Ihre Theorien, aber das nicht. Und selbst wenn es wahr wäre, Sie erkennen Fehler in Systemen. Darum geht es bei der Sache. Vielleicht laden Sie sich die Berichte einmal herunter, sie stehen bereits in unserem Netz. Ich kann Ihnen allerdings nicht garantieren, dass es in Ratingen auch noch beheizte Hotels mit Warmwasser und Toiletten gibt.«
»Sie verstehen es, mir die Aufgabe schmackhaft zu machen.«
»Dafür bekommen Sie einen Wagen zur Verfügung gestellt. Über das Honorar werden wir uns sicher einig. Erzählen Sie bloß Ihrer Freundin nichts davon.«
»Sie ist nicht meine Freundin.«
»Wie auch immer. Fahren Sie?«
»Ab sofort hast du das Zimmer für dich«, erklärte ihr Manzano, während er seinen Koffer packte. Shannon war gerade von einer Rundfahrt durch die Stadt zurück, von der sie ein paar Kurzreportagen mitgebracht hatte.
»Du reist ab? Wohin?«
»Unwichtig.«
Aus dem Bad hörte sie die Toilettenspülung, darauf den Wasserhahn, dann trat Bollard heraus.
»Ah, die Starreporterin«, sagte er spöttisch. »Würden Sie uns bitte noch kurz alleine lassen?«
Shannon zögerte, immerhin war es auch ihr Zimmer. Na ja, nicht wirklich. Sie legte ihre Kamera auf den Schreibtisch, verließ den Raum, schloss die Tür von außen und legte ihr Ohr daran. Sie verstand nur einzelne Worte, die ihr nichts sagten. Dann endlich doch einen ganzen Satz.
»Vorausgesetzt, die Deutschen haben einen funktionierenden Internetzugang«, sagte Manzano.
Nach Deutschland fuhr er also. Shannon überlegte fieberhaft.
»Man kann über die Deutschen sagen, was man will, aber organisiert sind sie«, erwiderte Bollard. »Das BKA bei Talaefer hat sicher die notwendige Ausrüstung. Hier sind die Wagenschlüssel. Das Auto steht in der Hotelgarage, ein schwarzer Audi A4 mit niederländischem Kennzeichen und vollem Tank. Damit kommen Sie spielend bis Ratingen« – er betonte den Namen auf der letzten Silbe – »und zurück.«
Shannon hörte Schritte und lief auf Zehenspitzen zwei Türen weiter. Dort lehnte sie sich gegen die Wand, verschränkte die Arme, als ob sie seit Ewigkeiten so hier wartete.
Bollard nickte ihr im Vorbeigehen zu.
Shannon kehrte ins Zimmer zurück. Manzano stand mit Koffer und Laptoptasche zum Aufbruch bereit.
»Hat mich gefreut«, sagte er und reichte ihr die Hand. »Ich hoffe, wir sehen uns wieder, wenn diese ganze Geschichte vorbei ist. Vielleicht machst du ja einmal eine Story in Mailand. Meine Adresse hast du.«
Shannon wartete, bis die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war. Hastig begann sie, ihre Habseligkeiten in den Seesack zu stopfen.
New York
Rund um Tommy Suarez drängten sich Menschen in der Subway-Linie A Richtung Brooklyn, wischten Schnee von ihrer dampfenden Kleidung, telefonierten, lasen und starrten ins Leere, als das Licht ausfiel.
Das Kreischen der Bremsen verschmolz mit den Schreien der Passagiere. Fremde Körper rammten ihn, der Haltegriff schnitt in sein Handgelenk, dann fühlte er sich durch den Schmerz der Stöße gegen Rippen, Rücken und Beine wie ein Stück von vielen in einer Waschtrommel, Schleudergang. Mit einem Ruck kam die U-Bahn zum Stehen. Einen Atemzug lang dehnte sich die Stille im Waggon aus, dann begannen die Menschen wild durcheinanderzurufen. Suarez fand das Gleichgewicht wieder. Sein Zorn über den Moment der Hilflosigkeit wich der Erleichterung darüber, dass er die Grenzen zwischen sich und der Umwelt wieder wahrnehmen konnte. Die Notleuchten überzogen alles mit einem geisterhaften Blau. Suarez spürte, wie er erstarrte. Er hasste das Gefühl, wenn sich die Räume um ihn schlossen wie ein Sarg. Er musste sich konzentrieren. Ablenken. Sein Bauch wurde von einem Mann mit Bart umarmt. Überall im Waggon rappelten sich Menschen auf, andere halfen ihnen dabei. Auf den Bänken setzte man sich auf seinen Platz zurück, Mäntel wurden abgeklopft, Hüte gerückt, Handtaschen kontrolliert, die Ordnung wiederhergestellt. Suarez hievte seinen schwerfälligen Anhang in die Senkrechte. Schob ihn dabei beiläufig etwas von sich weg.
»Sind Sie okay?«
Der Bärtige bedankte sich und zog seinen Mantel zurecht.
Langsam gewöhnten sich Suarez’ Augen an das Dämmerlicht. Als ob es heller würde, dachte
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