er. Das half. Er merkte, wie er sich etwas entspannte.
»Ist jemand verletzt?«, rief er.
Verneinendes Gemurmel.
»Und?«, brüllte eine Stimme weiter vorn. »Geht es jetzt weiter?«
»Na hoffentlich«, flüsterte eine Frau neben Suarez.
Suarez hatte keine Ahnung, wie weit es noch bis zur nächsten Station war. Hoffentlich war niemand vor den Zug gesprungen. Die Gespräche um ihn herum wurden lauter. Er sah auf die Uhr. Viertel vor sieben. Wo blieb die Durchsage des Zugführers?
»Super!«, erklärte eine ältere Dame lautstark. »Hoffentlich nicht wieder ein Stromausfall! Beim großen Ausfall 2003 steckte ich zwei Stunden in so einem Ding fest!«
»Zwei Stunden?«, rief eine junge Frau. In ihrer Stimme hörte Suarez unterdrückte, ansteckende Panik.
»Und da hatte ich noch Glück!«, legte die Alte nach. »Andere …«
Sollte sie doch den Mund halten!
»Es geht sicher gleich weiter«, beruhigte Suarez die junge Frau. Nicht jeder blieb in dunklen, engen Räumen mit vielen Menschen gelassen. Erst recht nicht mit der Aussicht, es für mehrere Stunden aushalten zu müssen. Er verstand sie sehr gut. Und er mochte keine Schwarzseher, noch weniger in solchen Situationen. »Uns kann nichts geschehen.«
Neben ihm tippte ein Jugendlicher auf seinem Mobiltelefon.
»Na klar, geht auch nicht das Ding.«
»Kein Wunder, hier unter der Erde.« Der Bärtige, der Suarez’ Bauch umarmt hatte. »Neumodisches Zeug. Versagt immer genau dann, wenn man es braucht.«
»Funktioniert sonst immer«, behauptete der Junge.
»Was machen wir eigentlich, wenn das so bleibt?«, fragte ein Mann, seine Aktentasche unter den Arm geklemmt.
»Wenn was so bleibt?«, wollte eine Frau wissen. Ihr Anorak glänzte, sein Kragen war mit Kunstpelz besetzt. Suarez wusste nicht, warum er darauf achtete. Er roch ihr Parfüm, zu stark, zu süß.
»Kein Licht, keine Weiterfahrt.«
»Das kann ich Ihnen sagen«, mischte sich die Alte von vorhin wieder ein. »Warten. Warten und frieren.«
Am liebsten hätte Suarez ihr eine runtergehauen, um sie zum Schweigen zu bringen. Aber es wäre, wie seine Mutter zu ohrfeigen.
»Ruhe bewahren und Anweisungen abwarten«, erwiderte die Frau mit dem pelzbesetzten Anorak.
»Ich bin die Ruhe selbst!«
»Steht da.« Die Frau zeigte auf den Kleber neben der Tür. »Verhalten bei Betriebsstörungen.«
»Kann ja keiner lesen bei dem Licht«, raunzte der bärtige Mann.
»Zug außerhalb der Station nur nach Anweisung verlassen«, las die Anorakträgerin überdeutlich vor.
»Wenn jemand einmal Anweisungen geben würde …«
Suarez mochte die Gereiztheit in den Stimmen nicht. Er fühlte die Unruhe in der Menge wachsen.
»Und wenn es jetzt auch uns erwischt hat?«, fragte die Frau mit dem Kunstpelz. »So wie die Europäer?«
Die junge Frau begann voller Panik zu wimmern, dann zu schreien. Suarez merkte, wie er abermals erstarrte, wie sich ihre Panik auf ihn und die anderen übertrug. Er musste sich beherrschen, sie nicht anzubrüllen, versuchte stattdessen, sie zu beruhigen, klopfte auf ihre Schulter, wollte sie in den Arm nehmen.
Sie schlug um sich, wurde noch hysterischer.
»Lassen Sie mich! Ich will hier raus!«
Den Haag
»Kommen Sie herein«, rief einer der Männer.
Nach Manzanos Abreise waren seine Bewacher gerade dabei, zurück zu Europol zu übersiedeln.
»Zweierlei«, erklärte einer der Beamten. »Erstens: Diese Journalistin ist sofort nach Manzanos Abfahrt ebenfalls aufgebrochen. Wohin sie ist, wissen wir nicht.«
»Womöglich hinter ihm her«, sagte Bollard. »Er war ja schon einmal für eine Geschichte gut.«
»Und dann das hier. Haben wir eben erst entdeckt. Er muss die E-Mail kurz vor seinem Aufbruch geschickt haben.«
Auf dem Bildschirm des Beamten sah Bollard eine Nachricht, verfasst in leidlichem Englisch: Zu Talaefer. Bug suchen. Werden nichts finden. Halte dich auf dem Laufenden.
Wusste ich es doch!, dachte Bollard triumphierend.
»An wen ging es?«
»An eine russische Adresse.
[email protected]. Mehr wissen wir noch nicht.«
»Findet es heraus. Warum seht ihr das erst jetzt?«
»Muss er irgendwie hinausgeschmuggelt haben.«
»Oder ihr habt in der Nase gebohrt.«
Werden nichts finden – woher wusste er das? Oder wollte er verhindern, dass sie etwas fanden? Warum hätte er sie dann überhaupt auf die Spur der Talaefer AG bringen sollen? Um Zugang zum Unternehmen zu bekommen? Manzano hatte nicht damit rechnen können, dass er ihn hinschicken würde. Vielleicht hätte Manzano es selbst