BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Michelsen, als er aufstand.
»Zuerst einmal eine gute Nachricht. Die Kommunikationssysteme funktionieren wieder in weiten Teilen der Republik. Wir alle durften bereits mit Angehörigen und Freunden telefonieren, konnten Nachrichten im Internet lesen oder im TV sehen. Das erleichtert in der gegenwärtigen Situation vieles. Wobei auch auf diesem Gebiet gerade in den nächsten Tagen einiges auf uns zukommen wird. In den ersten Stunden dürfen wir mit aufgeregter Berichterstattung über das Ende des Stromausfalls rechnen. Wir müssen außerdem möglichst viele Informationen zur Selbsthilfe bekannt geben beziehungsweise zur Wasser- und Lebensmittelversorgung. Doch sobald die Medien über das volle Ausmaß der Katastrophe berichten, werden Beschwerden und Kritik zunehmen. Für die Regierung wie für alle staatlichen Institutionen liegt darin eine ebenso große Gefahr wie Chance. Viele Fragen werden auftauchen. Warum waren unsere Systeme so angreifbar? Welche Verantwortung tragen die Energieunternehmen, und mit welchen Konsequenzen müssen sie rechnen? Warum waren die Notfallsysteme so unzureichend? Warum ging dem Behördenfunk der Saft schon nach wenigen Stunden aus? Wie konnten die Angreifer ihre Tat so lange so unbeachtet planen? Warum brechen die Telefonnetze nach kürzester Zeit zusammen – trotz gegenteiligem Gesetzesauftrag? Wie konnte es zu den Katastrophen in den Kernkraftwerken kommen, die doch alle die Stresstests bestanden hatten? Wie intelligent sind die intelligenten Stromzähler und das zukünftige intelligente Stromnetz wirklich – und vor allem: Wie sicher sind sie? Warum muss bereits heute jeder deutsche Haushalt bei Neubau oder Renovierung Smart Meter einbauen, ohne dass die Stromversorger deren absolute Sicherheit garantieren müssen? Kann man den Umbau der Energienetze auf einer solchen Basis verantworten?«
»Darüber wird sicher zu diskutieren sein«, warf die Umweltministerin ein. »Allerdings dürfen wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Ausgeschaltet wurde das bestehende System. Es bietet demnach nicht mehr Sicherheit als mögliche zukünftige. Eigentlich kann es nur besser werden, oder nicht?«
»Ich bin nicht hier, um Position zu beziehen«, erwiderte Rhess ruhig, »sondern auf die erwartbaren Diskussionen vorzubereiten. Diese wird eine sein.«
Brüssel
Angström merkte, dass sie zu laut und zu viel lachte, aber nach dem fünften Glas Wein war ihr das egal. Fleur van Kaalden, Chloé Terbanten, Lara Bondoni und Lauren Shannon würde es nicht auffallen, sie hatten teils noch mehr getrunken. Immer wieder amüsierten sie sich über die Geschichte, wie der italienische Journalist über Bondoni an Manzano und Shannon herankommen wollte und dafür von seinem Sender sogar einen Privatjet hatte chartern lassen, der sie nach Brüssel gebracht hatte.
Das Hotel hatte den Betrieb schnell wieder aufnehmen können. Vor allem die Alkoholreserven waren während des Ausfalls nicht verbraucht worden, also lehnten sie an der Bar, kippten übermütig den Inhalt ihrer Gläser hinunter. Laras Vater war nach dem – noch bescheidenen – Essen zu Bett gegangen. Der italienische Journalist hatte bei jeder von ihnen sein Glück versucht, gerade bearbeitete er van Kaalden. Angström war das nur recht. Wie schon an dem Abend in der Skihütte hatte sich ihre Freundin während des gesamten Essens an Manzano förmlich herangeschmissen. Dabei sah er wirklich schrecklich aus. Die Narbe an der Stirn, in der immer noch Nähte steckten, die scharfen, fast ausgemergelten Gesichtszüge. Solange er nicht ging, bemerkte niemand seine Beinverletzung, der nicht davon wusste. Immerhin hatte er sich rasiert. Wenn sie daran dachte, in welchem Zustand er vor zwei Tagen bei ihr aufgetaucht war.
Van Kaalden und der italienische Reporter lehnten an der Bar, die anderen tanzten. Angström wunderte sich nicht, dass die Menschen sich so fröhlich benahmen, als wäre nichts geschehen. Heute wollten sie die Angst, die Qual, die Verzweiflung der vergangenen Wochen wegfeiern.
Manzano sah ihnen zu. »Würde ich jetzt auch gern«, sagte er und leerte sein Glas. »Aber ich bin müde. Wie Laras Vater. Ich bin ein alter Mann.«
»Ich werde mich ebenfalls auf den Weg machen«, entgegnete Angström und merkte, als sie sich von dem Barhocker löste, wie schwindelig ihr war. Sie tupfte van Kaalden kurz an die Schulter, winkte ihr und dem Journalisten zu. Von den anderen Tänzerinnen verabschiedete sie sich nicht.
Auf dem Weg hinaus in die
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