BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
gefoltert.«
»Schlafentzug ist Folter.«
»Wir haben viele dringende Fragen. Sobald Sie die beantwortet haben, dürfen Sie schlafen.«
»Können Sie sich von Ihrem Gehalt einen Rolls-Royce leisten?«
Der Japaner führte das Gespräch wie ein Personalchef, fand Bollard.
Der türkische Beamte blieb ungerührt. »Um mein Gehalt geht es hier nicht.«
»Doch, genau darum geht es«, erwiderte der Japaner ruhig. »Ihre Chefs können das nämlich. Und die Männer, die Ihre Chefs bezahlen, können sich einen ganzen Fuhrpark von Luxuskarossen leisten. Während Sie hier die Drecksarbeit machen, sitzen die in ihren Villen und lassen sich schon im Diesseits von zweiundsiebzig Jungfrauen verwöhnen.«
»Ich muss Sie enttäuschen, an solche Dinge glaube ich nicht.«
»Finden Sie das gerecht? Dass Sie hier die Nacht mit einem wie mir durchmachen müssen, während die mit hübschen Frauen im Ferrari spazieren fahren?«
»Es geht hier nicht um Gerechtigkeit.«
»Worum geht es Ihnen dann?«
Bollards Laptop sprang aus der Ruhestellung an. Im Videochat-Fenster leuchtete Christopoulos’ Gesicht.
»Sieh her«, sagte der Grieche und blendete in einem Extrafenster Codezeilen ein. »Schon in Pseudocode.«
wenn kein Blockierungscode in den letzten 48 Stunden
Phase2 aktivieren.
»Was aktivieren?«, fragte Bollard.
»Das wissen wir noch nicht«, antwortete Christopoulos. »Wir wissen bloß, dass es nicht zur Aktivierung von Dragenaus SCADA -Code diente und nicht für die italienischen oder schwedischen Smart Meter. Der Punkt ist: Die bisherigen Analysen der Angriffsstrategie erfordert keinen solchen Befehl in der Software.«
Brüssel
»Genau so einen Befehl habe ich gemeint!«, rief Manzano.
Bollards Gesicht wirkte grün, aber das lag wohl am Licht. Manzano fragte sich, wann Laptops endlich mit Kameras gebaut würden, die ihre Benutzer nicht zu Zombies entstellten.
»Irgendwo in den Systemen versteckt schlummern noch immer Zeitbomben«, sagte Manzano. »Vielleicht nicht in allen, aber in einigen. Diese werden nicht aktiviert, sondern aktiv blockiert. Mindestens alle achtundvierzig Stunden. Geschieht das nicht – Wumm! Und alles beginnt von vorn.«
Shannon und Angström lugten über Manzanos Schulter, hielten sich aber wie Bondoni aus dem Blickfeld der Laptopkamera.
»Wie lange ist der Zugriff her?«, flüsterte Angström.
Manzano rechnete nach. »Rund dreißig Stunden«, flüsterte er zurück.
»Aber der block-Befehl muss nicht unbedingt erst kurz vor dem Zugriff gegeben worden sein«, wisperte Shannon. »Vielleicht wurde er schon am Vortag geschickt.«
»Dann hättest du schon über die Folgen berichtet«, erwiderte Manzano ebenso leise.
»Was flüstern Sie da?«, fragte Bollard.
»Verschaffen Sie mir Zugang zur RESET -Datenbank!«, forderte Manzano ihn auf. »Und wir brauchen die Logs aller Geräte in Istanbul und Mexico City!«
Berlin
»Schwer abschätzbar sind derzeit die Folgen auf weite Teile der Wirtschaft«, begann Helge Domscheidt aus dem Wirtschaftsministerium.
Michelsen fand, dass die meisten in der Runde heute besser aussahen. Schwächere Ringe unter den Augen, aufrechtere Haltung, allgemein eine bessere Stimmung. Sie wirkten nicht mehr nur gehetzt, sondern auch wieder konzentriert. Auch sie selbst war in der Nacht schließlich doch noch eingeschlafen.
»Die meisten Unternehmen der produzierenden Industrie mussten den Betrieb einstellen«, erklärte Domscheidt. »Viele Firmen werden noch für Tage oder Wochen stillstehen, weil Rohstoffe und Material fehlen. Viele Produktionsanlagen wurden auch beschädigt oder gänzlich zerstört, zum Beispiel Hochöfen in der Metallindustrie. Zahlreiche Güter, die sich gerade in Herstellung befanden, wurden ruiniert. Um nur ein Beispiel aus dem aktuellen Themenkreis Energie zu nehmen: Bestandteile von Windrädern müssen bei hoher Temperatur stundenlang sozusagen gebacken werden. Wenn der Strom und damit die Backöfen ausfallen, sind diese Produkte natürlich nicht mehr zu gebrauchen. Über die Probleme der Lebensmittelproduktion wurden wir bereits informiert. In der Energieversorgung gibt es Engpässe. Etwa zehn Prozent der bestehenden Kraftwerke haben schwere Schäden davongetragen, für deren Reparatur teilweise mehrere Monate benötigt werden. Das bedeutet vor allem für energiekritische Industriezweige wie die Papier-, Zement- oder Aluminiumproduktion noch eine Wartezeit. Wir sollten erwägen – wenn möglich –, Atomkraftwerke, die vor nicht allzu langer
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