BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
öfters Momente erlebt, in denen ihn ein schlechtes Gefühl befallen hatte, doch noch nie war es so überwältigend gewesen wie an diesem Sonntagvormittag. Sein Büro brauchte er gar nicht erst aufzusuchen, er begab sich direkt in den vorgesehenen Besprechungsraum. Dort warteten bereits einige Kollegen mit angespannten Gesichtern.
Hartlandt nahm Platz, tauschte Vermutungen aus. Nach einer Viertelstunde erschien schließlich der Leiter des GTAZ persönlich und begrüßte sie knapp.
»Heute Morgen bestätigten die schwedischen und italienischen Behörden Manipulationen ihrer Stromnetze, die zu den Ausfällen geführt haben.«
Unter aufgeregtem Raunen fuhr er fort: »Das Ausmaß der Situation europaweit lässt befürchten, dass wir mit weiteren derartigen Meldungen rechnen müssen.«
Er gab eine Übersicht der Lage, die weitaus schlimmer war, als Hartlandt es bislang im Radio gehört hatte. Die Verantwortlichen rechneten damit, dass der Strom mehrere Tage ausbleiben könnte, womöglich wurden Notevakuierungen und andere Hilfsmaßnahmen für Dutzende Millionen Menschen notwendig.
Auf die Frage nach den Verursachern antwortete er nur: »Unbekannt. Zurzeit können wir weder einen politisch oder religiös motivierten Terroranschlag ausschließen, noch einen kriminellen oder einen kriegerischen Akt.«
Die letzte Bemerkung sorgte erneut für Gemurmel im Raum.
»Meine Damen und Herren«, erklärte er abschließend, »in zwei Stunden erwarte ich einen ersten Bericht darüber, warum wir keinerlei Kenntnis von einem möglicherweise bevorstehenden derartigen Ereignis hatten – sowie über alle Fakten und Informationen, die unter den gegebenen Umständen neu bewertet werden müssen. Hartlandt, Sie koordinieren die Ermittlungen.«
Den Haag
Marie Bollard schleppte die Koffer ins Auto. Sie musste zweimal gehen, um alles zu verstauen. Die Kinder trugen beide einen kleinen Rucksack mit ihren Lieblingsspielsachen.
»Wir fahren in den Urlaub«, freute sich Bernadette.
»Ich will aber nicht weg«, jammerte Georges.
»Bitte, Georges, hör auf. Du wärest doch am Freitag auch gern zu Oma und Opa nach Paris geflogen.«
»Sind wir aber nicht.«
Sie wusste, dass in der vergangenen Nacht etwas geschehen war. Ihr Mann war lange im Büro geblieben. Bei seiner Rückkehr war er so angespannt gewesen, wie sie ihn noch nie erlebt hatte, nicht einmal vor der Geburt ihres ersten Kindes, obwohl er sich alle Mühe gab, es zu verbergen. Er konnte und wollte ihr jedoch nichts sagen. Stattdessen hatte er vorgeschlagen, dass sie für ein paar Tage woanders hinzögen. An einen Ort, wo es Strom, Lebensmittel und heißes Wasser gab. Paris war aus einem einfachen Grund ausgeschieden: Sie hatten nicht genug Benzin im Tank, um es bis zu ihren Eltern zu schaffen.
»Los jetzt, wir fahren.«
»Kommt Papa auch?«
»Papa muss arbeiten. Er kommt am Abend nach.«
Marie Bollard sperrte die Haustür ab. Auf der schmalen Straße mit den hübschen, alten Bürgerhäusern wirkte alles wie üblich. Der Himmel war wolkenverhangen.
Sie kontrollierte die Sicherheitsgurte der Kinder, dann fuhren sie los. Der Verkehr war dichter als sonst. Kein Wunder, alle waren aufs Auto umgestiegen. Sie schaltete das Radio an. Das Programm brachte Berichte über den Stromausfall. Passanten gaben Kommentare ab. Einer beschwerte sich über die unfähigen Energieunternehmen. Ein Mann meinte, man könne die Situation ohnehin nur mit Gelassenheit vorübergehen lassen. Er hoffe nur, seine Toilette funktioniere bald wieder, sagte er lachend. Marie Bollard fragte sich, woher die Radiogesellschaften den Strom zum Senden nahmen.
»Wohin fahren wir?«, fragte Georges.
»Nicht weit. In einer Viertelstunde sind wir da.«
»Und dafür brauchen wir so viel Gepäck?«
»Wir bleiben ein paar Tage.«
Hinter Zoetermeer führte das Navigationsgerät sie von der Autobahn ab. Marie Bollard folgte den Anweisungen der Sprecherin bis zu einem stattlichen Gutshof.
Die Fachwerkfassade des großen Hauses wurde von einem tief gezogenen Reetdach gekrönt. Auf dem gekiesten Hof davor standen ein Geländewagen, zwei Limousinen und ein Traktor. Sie parkte den Wagen daneben.
»Aussteigen, Kinder!«
Sie drückte die Messingklingel neben der kunstvoll verzierten Holztür, und eine Frau in ihrem Alter öffnete. Sie trug Cordhosen, ein kariertes Hemd, einen Wollpulli und hatte ein freundliches Gesicht und blonde Haare.
Bollard stellte sich und die Kinder vor. »Mein Mann hat mit Ihnen gesprochen«, sagte
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