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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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einen instabilen Zustand erreicht hat.« Der Arzt polierte seine Brille mit einem Taschentuch, auf dem sein Monogramm eingestickt war. »Obwohl wir viel über das Gehirn wissen …«
    » … gibt es immer noch viel mehr, was wir
nicht
wissen«, vollendete Harriman seinen Satz mit einem entgegenkommenden Lächeln.
    In den sechs Monaten vor meiner Operation hatte ich natürlich durchaus des Öfteren Migräne gehabt, und zum Teil hatte ich sogar Mouches volantes gesehen. Anfangs hatte ich die üblichen Verdächtigen angenommen – Stress, Computerbildschirm, Flüssigkeitsmangel –, aber dann war ich einmal vor der Waschmaschine ohnmächtig geworden und erst nach einer Viertelstunde wieder zu mir gekommen. Mir war ein bisschen übel gewesen, und flüssiges Waschmittel war mir über die Fingerknöchel gelaufen.
    »Aber stimmt es denn nicht, dass die meisten Menschen mit dieser Art Tumor die Linie zur Psychose niemals überschreiten?«
    »Plötzlich auftretendes aggressives Verhalten ist nicht ungewöhnlich, vor allem …«
    »Vielleicht haben Sie meine Frage nicht gehört. Ich habe gefragt, ob es wahr ist, dass die meisten Menschen mit dieser Art Tumor niemals die Grenze zur Psychose überschreiten.«
    »Statistisch gesehen.«
    »Gibt es eine andere Sichtweise, die eine medizinische Frage wie die meine besser beantworten könnte?«
    Die gab es nicht.
    »Gibt es auch nur einen einzigen medizinischen Präzedenzfall, den sie zitieren könnten, bei dem eine Person«, schlauerweise hatte sie den »Patienten« schon unter den Tisch fallen lassen, »mit einem Gangliogliom am vorderen linken Schläfenlappen einen Mord begangen hat?«
    Der Arzt spitzte den Mund und verzog das Gesicht. »Nein.«
    Leise atmeten Donnie, Terry und ich gleichzeitig aus. Katherine Harriman nicht. »Durchleiden die meisten Personen mit einem Gangliogliom am linken vorderen Schläfenlappen eine postoperative retrograde Amnesie?«
    »Die meisten nicht, aber wenn akuter Stress hinzukommt, erleiden dreißig Prozent …«
    »Es ist also möglich, dass eine Person mit einem Tumor, wie ihn der Angeklagte hatte, bis zur Operation geistig völlig gesund ist?«
    »Möglich ist vieles. Der Körper ist erstaunlich und unterläuft unsere Erwartungen ständig. Das Gehirn in noch viel höherem Maße. Und der Geist erst recht.«
    »Das heißt also: ja?«
    »So ist es.«
    »Und ist es
außerdem
möglich«, fuhr Harriman fort, während sie sich zu mir drehte und mich mit ihrem allerbesten Blick durchbohrte, »dass eine sehr kluge Person, jemand, der unserem Angeklagten sehr ähnlich ist, all diese Umstände, die Sie uns hier so ausführlich erläutert haben, ausnutzen könnte, um einen kalkulierten Plan zu vertuschen?«
    Meine Anwälte sprangen auf, um Einspruch zu erheben, aber Harriman blieb ganz ruhig stehen und wandte den Blick nicht von mir, während ein Lächeln um ihre Lippen spielte. Sie konnte sich hervorragend ausdrücken und geschickt mit der Lächerlichkeit spielen, die sich stellenweise in den Fakten verbarg. Ihre Ruhe raubte mir den letzten Nerv. Es gab einiges Gemurmel und Unruhe im Gerichtssaal, und der Richter nickte dem Gerichtsdiener zu, der daraufhin eine Pause verkündete.
    Als wir wieder zurückgekehrt waren, ging die Attacke weiter. Unsere Zeugen. Ihre Zeugen. Das Filetiermesser hatte seinen Auftritt – es war blutbefleckt fast bis zum Ansatz der Klinge und schwang in seiner ganzen Brutalität in der durchsichtigen Tüte für Beweisstücke. Ich tat mein Bestes, um nicht zusammenzubrechen oder wütend zu reagieren.
    Als nächstes war Lloyd Wagner dran, ein Kriminaltechniker, der mir mehrmals seine Zeit geschenkt hatte, wenn ich fiktive Leichen produzieren musste, und der mit dem Team der Spurensicherung in Genevièves Haus gearbeitet hatte. Noch so ein verstörendes Element aus meinem früheren Leben. Wir verstanden uns gut, und er hatte mir so meisterhaft bei der Bearbeitung gewisser Handlungselemente geholfen, dass ich ihm auch schon ganze Szenen nach Hause mitgegeben hatte, damit er sie vor dem Hintergrund seines Fachwissens überarbeitete. Lloyd, der seinen altmodischen Anzug fürs Gericht trug und in der Hand das Messer aus meiner Küche hielt, nickte mir kurz entschuldigend zu, bevor er an einem Dummy die Wucht demonstrierte, mit der dem Opfer die Einstichwunde beigebracht worden war. Ich merkte, wie ich angesichts dieser Brutalität zusammenzuckte, ebenso wie die Geschworenen und die Zuschauer.
    Nach Lloyds Vorführung wurde die

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