Blackout
Zeit vergangen, als würde in diesem Haus überhaupt keine Zeit vergehen.
Ich erzählte ihm von meinem Abenteuer in Rampart und schloss mit der Plastikverpackung der Klebebandrolle in dem heruntergefallenen Taubennest. Sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen Schock, Wut und ärgerlicher Bewunderung.
»Ach du lieber Gott, du steigerst dich da so richtig rein, oder?«
»Natürlich steigere ich mich da rein, Lloyd. Vier Monate im Gefängnis, ein Mordprozess und zwei tote Frauen, von denen ich die eine doch ziemlich gern hatte. Was hier auf dem Spiel steht, ist so richtig persönlich.«
Er betrachtete die Tüte, die immer noch ungeöffnet war. »Und was willst du jetzt von mir?«
»Ich möchte, dass du Fingerabdrücke nimmst.«
»Hör mal, Drew – es ist eine Sache, wenn ich dir ein paar Fakten mitteile. Aber Fingerabdrücke nehmen?«
»Erzähl mir jetzt bitte nicht, dass du nicht auch neugierig bist.«
»Wir wissen doch nicht mal, ob das von unserem Täter ist. Es könnte auch Abfall sein, der von woanders dorthin geweht wurde. Oder eine Taube hat es irgendwo mitgenommen.«
»Kann schon sein.«
»Ja, und meinst du allen Ernstes, dass der Täter so dumm war, die Verpackung mit seinen Fingerabdrücken darauf bei der Leiche liegen zu lassen?«
»Die Polizei – oder du – hat ein Stück verbrannte Plastikplane in meiner Mülltonne gefunden, die benutzt worden sein könnte, um einen Kofferraum damit auszulegen. Vielleicht hat er Kasey Broach in seinem Kofferraum gefesselt und die Verpackung darin vergessen. Und dann ist sie an ihrem Körper hängengeblieben, als er die Leiche ablegte, und wurde weggeweht.«
Aber Lloyd war nicht so schnell zu überzeugen. »Außerdem haben wir keinen Nachweis, dass dieses Beweisstück am Tatort von der Polizei gefunden wurde und von da an in keine anderen Hände mehr gelangte. Nichts kann einen Anwalt davon abhalten zu behaupten, dass du dir das hier von irgendwo anders besorgt hast.«
»Ich bin nicht darauf erpicht, einen Menschen einfach so hinter Gitter zu bringen.«
Mein selbstgerechter Kommentar hing in der abgestandenen Luft.
»Das müssen wir aber, wenn wir dich entlasten wollen. Und darum geht es letztlich doch, oder nicht?«
»Ich will einfach nur herausfinden, was passiert ist« – ich unterbrach mich selbst –, »was hier gerade passiert.«
Er wandte die Augen nicht von der Tüte.
»Erzähl mir bloß nicht, dass du nicht neugierig bist«, wiederholte ich.
Er verschränkte die Finger und stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Ich bin neugierig.«
»Weißt du noch, wie du meine DNA mit Hilfe meiner Zahnbürste nachgewiesen hast, um mir zu zeigen, wie das funktioniert? Wieso sollte das hier etwas anderes sein?« Ich machte die Tüte auf und hielt sie leicht schräg, so dass Lloyd hineinsehen konnte. »Es ist ja nicht so, dass die Polizei dieses Beweisstück gefunden hätte. Es wäre verlorengegangen. Ich habe es nur zufällig gefunden, weil es eine Taube zum Auspolstern ihres Nests benutzt hatte.«
»Tauben polstern ihre Nester nicht aus. Aber sie sind große Müllfresser. Da ist noch ein Streifen mit Kleberrückständen – da.« Er zog den Stift hinter meinem Ohr heraus und zeigte damit auf die Rolle. »Die können süß schmecken. Vielleicht hat der Vogel das mit Futter verwechselt und deshalb mit in sein Nest genommen.«
Wie immer verblüfften mich seine umfassenden Kenntnisse. Was auch immer es war, sobald es irgendeine Verbindung mit einem Verbrechen haben konnte, wusste er es. Wie dick die Made schon war. Wie selten das Zeichen der chemischen Reinigung. Wie weit fortgeschritten die Entwicklung der Schmeißfliegeneier in der Mundhöhle.
»Warum nimmst du nicht einfach die Fingerabdrücke?«, schlug ich vor. »Wir haben keinen Grund, darüber zu streiten, wenn nicht mal ein Fingerabdruck vorliegt.«
Damit hatte ich ihm schließlich das rationale Argument geliefert, das er noch gebraucht hatte. Er ging zu seinem Van und kam mit einem Laptop und einem Kästchen zurück, in dem beim Aufklappen kleine Fächer und Abteilungen aufgingen wie in einem Werkzeugkasten. Er setzte sich auf den Teppich, begann zu arbeiten und fand in Minutenschnelle einen einzelnen Fingerabdruck – den Ausschnitt eines Randes auf der gebogenen Außenkante der Verpackung, direkt neben dem Aufkleber des Baumarkts. Er ging in die Hocke.
»Sollte eigentlich ausreichen, um ihn mit gespeicherten Fingerabdrücken abgleichen zu können.«
Ich konnte nicht recht sagen, ob er
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