Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz

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Feierlichkeit seines Vortrags etwas, aber er bürstete sich nur den Schmutz von der Kleidung, zupfte sich etwas von der Zungenspitze und fuhr dann ungerührt fort.
    »Die Bullen haben die Tauben aufgescheucht. Und die herumfliegenden Federn blieben an der Farbe kleben.« Chic wies auf das Foto, das Kasey Broachs Körper zeigte, bevor der Tatort abgesperrt worden war – noch keine Federn zu sehen. »Was bedeutet, dass die Farbe noch nass war. Und das wiederum bedeutet« – er hob den Finger wie ein dozierender Professor, der seine Worte unterstreichen will –, »dass der Sprayer in dieser Nacht gerade noch dabei war, sein Werk auf diese Rampe zu sprühen, als er plötzlich gestört wurde.« Er nickte zu dem vollendeten Teil des Kunstwerks hinüber. »Und wann nimmt ein Sprayer die Beine unter den Arm? Wenn er ein Auto hört. Welches Auto ist als erstes aufgetaucht und hat ihn verjagt?«
    »Der Mörder, der die Leiche hier abgelegt hat.«
    Ein breites Grinsen überzog Chics Gesicht. »Hiermit haben wir vielleicht einen Zeugen gefunden.«
    Ich starrte die zugeschissene Motorhaube des Autowracks an.
»Der Fall der verräterischen Vogelscheiße.«
    »Aber hallo.«
    »Wie sollen wir den Sprayer finden?«
    Chic zeigte auf das bunte Kunstwerk über unseren Köpfen. »Hier siehst du seine Unterschrift, Colonel Sanders. ›Tag‹ nennt sich so was.«
    Wir waren wieder in unsere vertrauten Rollen zurückgefallen. Chic war einer der nützlichsten Probeleser für meine ersten Romanentwürfe, denn er war enorm geschickt darin, den Motiven einer Figur die gewisse Logik des kleinen Mannes zu verleihen oder in eine Dialogpassage den richtigen Straßenslang einzuarbeiten. Ich beobachtete ihn, wie er sich auf der Lippe herumkaute. Noch ein Ratgeber, der mein Komplize geworden war.
    Er betrachtete das Graffito noch einmal genau, als wollte er es sich bis ins letzte Detail einprägen, dann schlug er vor: »Lass mich mal ein bisschen rumfragen, ich ruf ein paar von meinen Brüdern an.«
    Chic hatte ungefähr siebenundzwanzig über ganz Los Angeles verteilte Brüder mit goldüberkronten Schneidezähnen, die in diversen Verkleidungen auftauchten, um ein Auto zu reparieren, auf einer Party Barkeeper zu spielen, einen neuen Flatscreen zu transportieren. Die meisten waren wie er aus Philly übergesiedelt. Mit einigen wenigen war er vielleicht sogar wirklich verwandt.
    Der leichte Wind wirbelte Abfälle auf, die bei der Taubenexplosion von den Pfählen gefallen waren. Ich beugte mich über ein herabgefallenes Nest, das größer war, als ich angenommen hätte. Darin lag ein ringförmiges Stück Verpackung aus steifem Plastik, das ungefähr den doppelten Umfang eines Getränkehalters hatte. Darauf prangte immer noch der Preisaufkleber des Baumarkts Home Depot.
    Ich hörte das Pfeifen des Windes, das Gurren der vertriebenen Tauben und die Autos über unseren Köpfen nicht mehr. Ich hörte nichts mehr außer dem Klopfen meines Herzens.
    Was ich in der Hand hielt, war die Verpackung einer Rolle Isolierband.

[home]
    16
    D ie Tür flog auf, und einen Moment lang gab es nur Dunkelheit, eine bleiche Hand, die sich um den Türknauf krümmte, und das unablässige Zirpen der Grillen. Dann trat Lloyd in den Lichtkegel seiner Außenbeleuchtung und fragte: »Verdammt noch mal, Drew, was soll das denn werden, wenn’s fertig ist?«
    »Das ist eine Spur.« Ich hielt die Tüte hoch. »In einer Tüte von Spago, in der sonst Essensreste für den Hund eingepackt werden.«
    Lloyd blieb unbeeindruckt und warf einen Blick auf seine Uhr. Es war erst halb sieben, aber so dunkel, als wäre es bereits Mitternacht, und außerdem nahm ich an, dass er wieder einen ziemlich langen Tag hinter sich hatte. Schließlich siegte sein ungesunder Menschenverstand und er bat: »Warte mal kurz hier.«
    Ich blieb ungefähr fünf Minuten auf der Veranda stehen, während ich hörte, wie er drinnen herumging und eine sanfte weibliche Stimme auf seine antwortete. Schritte. Dann schloss sich eine Tür.
    Er machte die Tür wieder auf und winkte mich herein. Wir nahmen dieselben Plätze ein wie beim letzten Mal – er auf dem Sofa, ich im Lesesessel. Das Tablett mit den Tacos stand immer noch auf dem Boden. Nur ein einziger war ausgepackt, und das Stück, das fehlte, war das, das er tags zuvor vor meinen Augen abgebissen hatte. Am Ende des Flurs sah man wieder denselben Streifen gelbes Licht unter der Schlafzimmertür hervorscheinen. Als wäre seit dem vorigen Abend überhaupt keine