Blade Runner Ubik Marsianischer Zeitsturz
wackelte mit einem knochigen Finger vor Hammonds Nase. »Ich sage Ihnen etwas über Ihr Bandgerät, was Sie nicht wissen können: Es ist nicht nur abgenutzt, es wird bereits seit vierzig Jahren nicht mehr produziert. Man verwendet schon lange keine Gummitreibriemen oder Transmissionsriemen mehr. Sie werden also keine Ersatzteile dafür bekommen, es sei denn, jemand stellt sie von Hand her. Und das würde sich nicht lohnen. Das Ding ist schlicht und einfach veraltet. Werfen Sie es weg, vergessen Sie die Sache.«
»Sie haben recht«, erwiderte Hammond, »das wusste ich nicht.« Er verlieà mit Chip die Werkstatt und ging den Korridor hinunter. »Hier geht es um etwas anderes als nur Verfall, das ist etwas Neues. Jedenfalls werden wir Mühe haben, irgendwo etwas Essbares zu finden. Wie viele von den Nahrungsmitteln, die ein Kaufhaus verkauft, sind nach so vielen Jahren noch genieÃbar?«
»Die Konserven. Ich habe jede Menge davon in dem Kaufhaus gesehen.«
»Und wissen Sie, weshalb? Vor vierzig Jahren wurden viel mehr Konserven als Tiefkühlkost verkauft. Aber Sie haben recht â das kann sich für uns als Vorteil erweisen. Nur â¦Â« Hammond dachte kurz nach. »Innerhalb eines Tages sind wir von zwei auf vierzig Jahre zurückgesprungen. Morgen um diese Zeit könnten es hundert Jahre sein. Und kein Lebensmittel ist hundert Jahre nach dem Verpacken noch genieÃbar, weder in Dosen noch sonst wie.«
»Doch, chinesische Eier. Tausend Jahre alt, man vergräbt sie in der Erde.«
»Und es betrifft ja nicht nur uns«, fuhr Hammond fort. »Denken Sie an die alte Dame und ihre Pflanze.« Soll die ganze Welt verhungern wegen der Explosion auf dem Mond?,
fragte er sich. Weshalb sind alle davon betroffen â und nicht nur wir?
»Al â¦Â«
»Warten Sie einen Moment, ich muss über etwas nachdenken. Womöglich existiert Baltimore nur, wenn einer von uns dort ist. Ebenso der Lucky-People-Supermarkt. Sobald wir weg sind, löst sich alles wieder auf. Kann es sein, dass nur wir das hier erleben, die Gruppe, die auf dem Mond war.«
»Ein philosophisches Problem ohne jede Bedeutung. Und unmöglich zu beweisen oder zu falsifizieren.«
»Für die alte Frau wäre das schon von Bedeutung. Und für all die anderen auch.«
»Al.« Chip fasste Hammond am Arm und wies ihn auf den Werkstattleiter hin, der ihnen nacheilte.
»Ich habe mir gerade die Gebrauchsanweisung Ihres Gerätes angesehen.« Mit einem Ausdruck von Ratlosigkeit reichte er Hammond das Heftchen. »Sehen Sie sich das einmal an.« Unvermittelt entriss er es ihm wieder. »Ich will Ihnen die Mühe sparen. Sehen Sie hier, auf der letzten Seite steht, wer das verdammte Ding hergestellt hat und wohin man es im Schadensfall schicken soll.«
»Made by Runciter, Zürich«, las Hammond laut vor. »Dazu eine Vertragswerkstatt in der Nordamerikanischen Konföderation, in Des Moines. Dieselbe Adresse wie auf der Streichholzschachtel.« Er wandte sich an Chip. »Wir fliegen nach Des Moines. Das hier ist die erste Manifestation, die beide Orte miteinander in Verbindung bringt. Können Sie sich erinnern, dass Runciter je eine Beziehung zu Des Moines gehabt hat?«
»Ja, er wurde dort geboren und verbrachte dort die ersten fünfzehn Jahre seines Lebens. Ab und zu hat er es erwähnt.«
»Und nun ist er â nach seinem Tod â dorthin zurückgekehrt. In gewisser Weise.« Runciter ist in Zürich, dachte
Hammond, und zugleich in Des Moines. In Zürich liegt sein halblebender Körper in Kaltpackung und weist messbare Gehirnfunktionen auf â und doch kommt man nicht an ihn heran. In Des Moines ist er körperlich nicht existent â und trotzdem lässt sich dort offenbar eine Verbindung zu ihm herstellen, so wie in dieser Gebrauchsanweisung beschrieben, jedenfalls in einer Richtung, von ihm zu uns. Und inzwischen verfällt unsere Welt, zieht sich auf sich selbst zurück, bringt längst vergangene Realitätsschichten wieder zum Vorschein. Ende der Woche wachen wir vielleicht auf und sehen altertümliche, klapprige Busse die Fifth Avenue hinauffahren.Oberleitungsbusse ⦠Das Wort tauchte plötzlich in seinem Kopf auf, eine schon lange nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung, eine verschwommene Emanation seines Geistes, die die gegenwärtige Realität zu verdrängen suchte. Obwohl diese Wahrnehmung
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