Blade Runner Ubik Marsianischer Zeitsturz
ich hier. Er streckte die Hand aus und blieb dabei am Ãrmel seiner Jacke hängen. Er zerrte â und der Stoff riss, wie billiges, vertrocknetes Papier, wie ausgedörrte Bienenwaben. Es stand also auÃer Zweifel: Er würde von nun an eine Spur hinter sich lassen, Fetzen von zerbröseltem Stoff. Eine Spur bis in sein Hotelzimmer, bis in die ersehnte Ruhe, bis ins Grab.
Er erklomm die nächste Stufe.
Ich werde es schaffen, erkannte er, und mein Körper wird sich dabei verbrauchen. Deshalb wurden Wendy und Al und Edie â und inzwischen wohl auch Zafsky â körperlich immer weniger, während sie starben, und am Ende waren sie nur noch eine leere Hülle, ohne jeden Inhalt, saft- und kraftlos, ohne Festigkeit. Wir wehren uns gegen die Schwerkraft und das ist der Preis dafür, der immer schneller voranschreitende Verfall. Aber dieser Körper wird mich noch nach oben bringen, eine biologische Notwendigkeit entfaltet hier ihre Wirkung und wahrscheinlich kann nicht einmal Pat, die das alles in Gang gesetzt hat, etwas daran ändern. Er fragte sich, wie ihr wohl dabei zumute war, wenn sie ihm so beim Treppensteigen zusah. Bewunderte sie ihn vielleicht? Oder verachtete sie ihn? Er hob den Kopf und sah sie an, ihr lebenslustiges Gesicht mit seinen unterschiedlichen Schattierungen. Er sah Interesse. Keine Boshaftigkeit. Es war ein neutraler Ausdruck. Er war nicht überrascht. Pat hatte ihn weder behindert noch ihm geholfen. Und das war wohl in Ordnung so, selbst für ihn.
»Fühlst du dich etwas besser?«, fragte sie.
»Nein.« Er richtete sich halb auf, um die nächste Stufe zu erreichen.
»Du siehst anders aus. Nicht mehr so verstört.«
»Weil ich es schaffen werde ⦠Ich bin ganz sicher.«
»Es ist nicht mehr fern.«
»Weit«, verbesserte er. »Nicht fern.«
»Du bist wirklich unglaublich. So â kleinlich. Noch in deinem Todeskampf â¦Â« Sie hielt inne und korrigierte sich sofort: »Ich meine, was dir als Todeskampf erscheinen mag. Entschuldige bitte, ich hätte den Ausdruck âºTodeskampfâ¹ nicht verwenden sollen. Er könnte dich deprimieren. Versuch, optimistisch zu sein. Okay?«
»Sag mir einfach nur, wie viel Stufen es noch sind. Wie weit muss ich noch gehen?«
»Es sind noch sechs Stufen.« Sie entfernte sich geräuschlos, schwebte nach oben. »Nein, entschuldige, es sind zehn. Oder sind es neun? Ich glaube, es sind neun.«
Wieder nahm er eine Stufe. Dann die nächste. Und die nächste. Er sprach nicht, versuchte nicht einmal hinzusehen. Er bewegte sich entlang einer Oberfläche, wie eine Schnecke, von Stufe zu Stufe, und merkte, wie er allmählich eine Art Geschick entwickelte, ein sicheres Wissen, wie er seine schwindenden Kräfte einsetzen musste.
»Du hast es fast geschafft«, rief Pat vergnügt von oben. »Ist das nicht wahnsinnig, Joe? Der groÃartigste Aufstieg in der Geschichte der Menschheit. Nein, nicht ganz. Wendy und Al und Edie und Fred Zafsky haben es auch schon vollbracht. Aber das hier war der Einzige, bei dem ich zugesehen habe.«
»Warum gerade bei mir?«
»Wegen deines miesen kleinen Vorhabens damals in Zürich, Joe. Als du wolltest, dass Wendy Wright die Nacht mit dir im Hotel verbringt. Nun, heute Nacht wird das anders sein. Du wirst ganz allein sein.«
»Damals«, erwiderte Chip, »bin ich auch allein gewesen.« Wieder ein Schritt nach oben. Er bekam einen Hustenkrampf und verbrauchte dabei seine beinahe letzten Kraftreserven.
»Aber sie war dort. Nicht bei dir im Bett, aber irgendwo im Zimmer. Du hast es nur nicht gemerkt.«
»Entschuldige, aber ich bemühe mich ⦠nicht zu husten.« Chip schaffte wieder zwei Stufen und sah, dass er fast oben war. Wie lange hatte er für die Treppe gebraucht? Er konnte es nicht sagen.
Dann bekam er einen Schrecken â als er feststellte, dass er nicht nur erschöpft, sondern auch ganz kalt war. Wann war das passiert?, fragte er sich. Irgendwann in den vergangenen Minuten. Es war so allmählich gekommen, dass er es bis jetzt gar nicht bemerkt hatte. Mein Gott, sagte er zu sich. Er zitterte entsetzlich, seine Knochen schienen beinahe zu klappern. Schlimmer als auf dem Mond war das, viel schlimmer. Und schlimmer als die Kälte, die durch sein Hotelzimmer in Zürich gezogen war. Das waren die Vorboten gewesen.
Der Stoffwechsel, überlegte er, ist ein
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