Blätter treiben im Wind (German Edition)
Aber wenn ich sie in ein oder zwei Tagen sehe, dann beginnt ein neuer Abschnitt.«
»Sie hat tatsächlich in dem Brief geschrieben, dass sie am Donnerstag oder Freitag anruft, ja?«
»Ja, hat sie«, bestätigte Tom, »gestern saß ich auf meinem Sofa und hab‘ angefangen den Pferdeflüsterer zu lesen, den du mir gegeben hast. Ich schaffte bereits die Hälfte des Buches, aber das Telefon klingelte nicht«, seufzte er betrübt.
»Sie will es spannend machen, Tom. So wie du sie mir geschildert hast, ist sie eine extrem starke Persönlichkeit und lässt nicht mit sich spielen. Und du bist jetzt die Figur, die warten muss bis sie dran ist um einen Zug zu machen. Das kann dauern. Dieser Freitagabend dauert genau noch«, Shawn sah auf die Wanduhr in Toms Wohnzimmer, »drei Stunden und fünfzehn Minuten. Es ist noch viel Luft bis Mitternacht und somit Samstag.«
»Du siehst das alles so leicht. Ich fühle mich, als ob ich auf meine allererste Verabredung warte. Ich erinnere mich, dass ich damals dreizehn war, als mich ein Mädchen zum Eisessen einlud. Das Weiße Haus wollte sie mit mir ansehen. Ich verstand aber etwas anders unter Romantik, als bei der ersten Verabredung mir die Präsidentenunterkunft anzusehen.«
Tom fuhr sich durch die Haare und dachte mit einem Lächeln an die Vergangenheit zurück.
»Klingt doch sehr verlockend.«
»Ja, aber doch nicht beim ersten Mal«, sagte Tom süffisant.
»Tja, du musst dem Mädchen zugute halten, dass es wahrscheinlich noch aufgeregter war als du.«
Wenn Shawn über das Thema Frauen sprach, hörte er sich immer an wie ein alternder Psychologe, der bereits aus einem großen Fundus an Erfahrungen sprechen konnte. Obwohl dem ja nicht so war.
»Das kann sein. Ich machte mir fast in die Hose, damals.« Tom lachte laut auf. »Jetzt habe ich mich besser im Griff.«
»Welch ein Glück für mich!«, lachte Shawn.
Es war kurz vor 21 Uhr 30, als das Telefon klingelte.
Tom schoss das Blut plötzlich schneller durch seinen Körper. Sein Puls schlug Saltos.
»Ich geh ‘ran«, sagte Shawn schnell. »Mal sehen ob ich sie erschrecken kann.«
Tom nickte nach dem dritten Läuten. Seine Gedanken fixierten sich auf eine Frage. Wie wird ihre Stimme klingen?
»Hallo.«
Es wurde kurz still.
»Tom?«
»Seine Vermittlungsstation.«
»Wie bitte?«
»Seine Vermittlungsstation.«
»Schön. Kann ich bitte Tom Avellone sprechen.«
»Aber natürlich können Sie.«
»Ich kenne Ihre Stimme doch. Sie waren der, der mir seine Adresse gegeben hat. Stimmt’s?«, fragte Donna.
»Sie haben ein unglaublich gutes Gedächtnis. Besonders wenn es um Stimmen geht, so scheint mir. Shawn Lambert, mein Name, falls Sie das vergessen haben sollten.«
»Nein, nein. Sie werde ich nie vergessen. Ohne Sie würde ich vielleicht jetzt nicht mit Tom telefonieren wollen.« Toms Name sagte sie mit einem sehr fordernden Ton.
»Ich hab‘ verstanden. Er kommt schon.«
Shawn legte den Hörer neben den Apparat und verabschiedete sich.
»Das ist jetzt dein Lauf. Mach einen Touchdown daraus.« Er klopft Tom noch auf die Schulter, verließ das Haus und fuhr dann in seinem Pickup davon.
»Hallo. Hier ist Tom«, flüsterte er.
Donna war glücklich. Seine Stimme klang wie die eines Soulsängers, trotz des leisen Tons.
»Donna hier.«
Tom strahlte. Ihre Stimme hatte bereits bei Donna hier einen unverschämt erotischen Touch. Weich wie die Kissen in seinem Bett und fröhlich wie Stimme des Clowns an seinem fünften Kindergeburtstag.
»Schön, dass du anrufst«, freute sich Tom.
»Hast du schon gewartet?«
»Wo denkst du hin ... ja, ich habe auf das erste Wort aus deinem Mund sehnsüchtig gewartet. Shawn half mir, die Zeit zu überbrücken.«
»Ein netter Mann, dein Freund«, bestätigte Donna.
»Shawn ist schwer in Ordnung, da kann ich dir nicht widersprechen.«
»Und«, sie setzte ab und ließ einige Sekunden leblos im Raum verstreichen, »bist du von meiner Stimme enttäuscht?«, fragte sie weiter.
»Oh nein. Sie rieselt zart auf mich herab«, strahlte Tom. Die Weichheit in Donnas Stimme war in Toms Gesicht abzulesen. Er sah die letzten Jahre selten so glücklich aus.
»Schön gesagt. Du musst entschuldigen, dass ich so spät anrufe, aber die Arbeit, und Julia musste ich noch bei einer schweren Hausaufgabe helfen.«
»Das ist doch nicht so schlimm«, entkräftete er ihre Sorge.
Donna erzählte ihm einige Minuten von ihrem heutigen Tag.
»An wen war der Brief überhaupt gerichtet, Tom? Der Brief, der uns
Weitere Kostenlose Bücher