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Blamage

Blamage

Titel: Blamage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Saehrendt
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missratene Gegenstände definiert werden sollten, um so dem schlechten Geschmack resolut den Kampf anzusagen. Die Kriterien lauteten beispielsweise: »Selbstherrlichkeit des Ornaments«, »Zweckkollisionen« oder »Dekorbrutalitäten«. Ob in Haus und Hof, in der guten Stube oder in der Gartengestaltung, beim Auto oder in der Wahl sonstiger Statussymbole, schlechter, peinlicher Geschmack manifestiert sich bis heute in diesen Kategorien:
    â€¢ Kitsch: Heimat-, Ethno- und Folklorekitsch, sentimentaler Kitsch, Devotionalienkitsch
    â€¢ demonstrative Material- und Ressourcenverschwendung, überaus teure Materialien
    â€¢ Angeberei, die in Super-Size-Objekten zum Ausdruck kommt
    â€¢ Trophäen (Felle seltener Tiere, Elefantenfußhocker u. a. Tier- oder gar menschliche Präparate, demonstrative Verstöße gegen Artenschutz- oder Schmuggelgesetze)
    â€¢ sexistische und rassistische Aussagen in Kulturerzeugnissen und Kunst
    â€¢ scheinbar nützliche, aber funktionsunfähige Objekte, die nur der Dekoration dienen (»Funktionslügen«)
    â€¢ sichtbare billige Ersatzmaterialien oder Materialattrappen.
    Bad-Taste-Recycling
    Freilich muss gesagt werden, dass derartige Peinlichkeitskataloge nicht in Stein gemeißelt sind – sie können durchaus umgeschrieben werden. Da wir im Zeitalter einer ironischen Postmoderne leben, in dem nahezu alle Kunstwerke, Musikstile, Moden und sonstigen Produkte der Kulturindustrie permanent zitiert, neuinterpretiert, gesampelt und persifliert werden, gilt das Motto: Manches ist so out, dass es schon wieder in ist! Nach dieser Devise werden Musikbands, Kleidung, Autos oder Designprogramme, die gestern noch als peinlich spießig oder als Beispiele ästhetischer Randgruppenkulturen galten, in ironischer Weise kultverdächtig. Etwa jene dicken schwarzen Nerd-Brillen, Pollunder und Strickmützen, für die man in den (echten) 1980ern noch kopfüber im Schulklo versenkt worden wäre. Sie sind nun Markenzeichen der in Großstadt-Cafés wichtigtuerisch auf ihren Laptops herumhackenden »digitalen Boheme«. Meistens sind es Künstler, Subkulturen oder das Sinusmilieu der »modernen Performer«, die plötzlich cool finden, was vor Jahrzehnten angesagt war. Deshalb kann man nie sicher sein, ob Karotten- oder Schlaghosen, ob Schulterpolster oder Vokuhila-Frisuren nicht doch in der nächsten Saison wieder auftauchen, ob wir nicht doch bald wieder zu den Klängen des Deutschen Schlagers, des 1970er-Glamrocks oder trashigen Euro-Pops der frühen 1990er tanzen müssen.
    Zwanghaft ironisch
    Folglich gilt heute »anything goes«. High Art und Trash, Camp und Konzeptkunst, Subversion und Funktionalismus im bunten Mix – es gibt keinen einheitlichen Zeitstil mehr, und es ist bisweilen schwer zu erkennen, was in welchen Kreisen und Milieus »in« und »out« ist, dazu muss man ein feines Sensorium entwickeln. Wem das nicht gelingt – der blamiert sich. Folglich verstecken sich nicht wenige hinter einer dicken Schicht Ironie, pflegen einen demonstrativen »Bad Taste« in jeder Beziehung, um nicht Farbe bekennen zu müssen. Denn heutzutage, so die Journalistin Nina Pauer treffend, sei es »nahezu unmöglich und vielmehr furchtbar anstrengend geworden, im weit und subtil verästelten analog-virtuellen Netzwerk stets die Balance aus lässigem Understatement, hübscher Ironie und gleichzeitiger Selbstvermarktung zu pflegen«. 80
    Peinliche Autos
    Wenn Auto und Fahrer gar nicht (oder allzu gut) zusammenpassen, ergeben sich peinliche Dissonanzen oder die ebenso peinlichen Bestätigungen althergebrachter Klischees. Hier einige Beispiele:
    â€¢ alternder Architekt im Mercedes SLK Roadster
    â€¢ aggressiv dreinblickender junger Mann mit getuntem Wagen; wahlweise schwarzer 3er BMW , tiefergelegt oder vollverspoilertem VW Golf GTI (die Erben des Manta und des Scirocco)
    â€¢ Opelfahrerinnen mit Heckscheiben-Klebefolien »Corsa-Zicke« oder »Böhse Onkelz«
    â€¢ Rentner mit Hut im beigen VW Jetta
    â€¢ blondierte Schnepfe im Porsche Cayenne, die das Töchterlein zum Eiskunstlauftraining fährt (»rich kid’s hockey mom«)
    â€¢ Generell peinlich sind Autos, die zu klein (Trabbi, Mini), zu groß (Hummer, Stretchlimousine), zu hässlich sind (missglücktes Tuning) oder als grässliche Mixturen daherkommen (Mischungen zwischen Jeep und Familienlimousine,

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