Blanche - Die Versuchung
wirkte grimmig , als er fortfuhr. „Ich habe ein paar Dinge herausgefunden, die du vermutlich wissen möchtest.“
Blanche bedeutete ihm, ihr zu folgen. „Später. Enzo hatte Besuch von Arziel , seitdem ist er total hysterisch.“
Kein Wunder. Arziel , der erste unter den Großfürsten, war der Herr der Schmerzen. Er bezog seine Kraft aus dem Leid anderer – vorzugsweise dem, das er ihnen persönlich zufügte. Von daher war eine Begegnung mit ihm gewiss nichts, dem man entgegenfieberte. Und da er im Auftrag des Teufels unterwegs war, hatte er es mit Sicherheit nicht auf Enzo Cannoli abgesehen.
Beliar nahm ihre Mitteilung mit unbewegter Miene auf, sodass sie nicht s a gen konnte , ob er überrascht war, ob er überhaupt etwas fühlte. Doch auf dem Weg zum Astros Club war er auffallend still. A ls sie ihn fragen wollte, ob mit ihm alles in Ordnung sei, breitete er seine Flügel wie einen Schirm über sich aus und setzte unweit von Enzos Hubschrauberplatz zur Landung an.
Die vier Wächter auf dem Dach starrten Blanche mit offenem Mund an, als sie lautlos wie eine Katze aus dem Nichts auftauchte. Dennoch stellte niemand Fragen. Beliar hatte es wie immer vorgezogen , nicht in Erscheinung zu treten. Der Summer wurde betätigt und die gepanzerte Stahltür zu Enzos Hauptquartier schwang auf.
Wie nicht anders zu erwarten, empfing Enzo sie nicht mit seinem üblichen Charme. Sein Kopf hatte die Farbe überreifer Tomaten, und er war offe n sichtlich in den Genuss des ein oder anderen Glases Wein gekommen. Z u mindest stand eine leere Flasche Bordeaux auf dem Boden vor dem Kamin, eine weitere halb leere befand sich auf dem Chippendale Tisch.
Nachdem sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, starrte Enzo sie eine volle Minute an, als wäre er nicht sicher , ob er sie anschreien oder zu Tode schweigen wollte. Blanche sagte ebenfalls kein Wort, genau wie Beliar, der sich hinter ihr positioniert hatte. Enzo hatte das Valentino Jackett abgelegt und die Ärmel des Seidenhemdes hochgekrempelt. Eine Hand steckte in der Hosentasche – es sah fast so aus, als würde er etwas umklammern. Auße r dem fiel ihr auf, dass er die Krawatte gelockert und den obersten Knopf des Hemds geöffnet hatte. Für seine Verhältnisse war das fast schon ein Stripte a se. Ohne Sakko trat der Bauchansatz deutlicher hervor, den sein maßg e schneiderter Anzug hervorragend kaschierte. Seine Arme waren muskulös, wie sie es erwartet hatte. Der Mann war gebaut wie ein Hydrant, kompakt und kräftig. Vielleicht trank er zu viel, doch er schien auch einiges zu vertr a gen, denn der Blick seiner haselnussbraunen Augen war klar und hellwach.
Nach einer gefühlten Ewigkeit deutete er mit der freien Hand auf auf einen blutroten Sessel aus Ochsenleder.
„Nimm Platz“, sagte er und setzte sich auf das Sofa ihr gegenüber.
Eigentlich wollte sie lieber stehen, hatte jedoch das Gefühl, dass sie die Dinge abkürzen würde, wenn sie der Aufforderung nachkam. Also setzte sie sich, mit Beliar im Rücken, der ihr wie ein Schatten folgte. Im Schein des Kaminfeuers bemerkte sie, dass Enzos Hand noch immer in der Tasche steck t e. Was immer er in seiner Faust hielt , schien für ihn von Bedeutung zu sein. Für eine Waffe war es zu klein. Vielleicht ein Talisman? Blanche ve r warf den Gedanken. Er war nicht der Typ für Glücksbringer.
Sie hörte , wie Beliar hinter ihr tief einatmete. „Er hat Angst“, bemerkte er leise. „Und nebenan wurde ein Dämon zurück in die Unterwelt befördert.“
Unwillkürlich wanderte ihr Blick zur besagten Tür, durch die Marcel beim letzten Mal erschienen war. Ihres Wissens lag dahinter die Bibliothek. Als sie wieder zu Enzo sah, taxierte er sie nachdenklich. Allmählich ging ihr die Schweigenummer auf den Senkel, da hatte ihr die cholerische Version besser gefallen.
„Du hast also mit Arziel geredet“, unterbrach sie die Stille, die nur durch das gelegentliche Knacken eines Scheits gestört wurde. „Und danach a n scheinend kalt gemacht.“ Sie nickte zur Tür . „Wie hast du das angestellt? Es ist nämlich gar nicht so leicht , Dämonen in die ewigen Jagdgründe zu sch i cken.“
Bei der Erinnerung mahlte Enzos Kiefer. Wie es aussah, hatte er endlich eine Entscheidung gefällt, denn seine Augen verengten sich und er beugte sich vor. „Dieser figlio de puttana hat meine famiglia bedroht“, stieß er zw i schen zusammengepressten Zähnen hervor. „Jetzt sprengt er eine Schneise durch meine Arrondissements, und wofür
Weitere Kostenlose Bücher