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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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sein.
    »Wir müssen ja nicht gleich überreagieren, Joanne.«
    »Wir wollen aber auch kein Risiko eingehen, oder?«
    »Du hast gesagt, sie hat keine erhöhte Temperatur.«
    »Ihre Haut ist sehr warm.«
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    »Du wärst auch warm, wenn du so brüllen würdest.«
    »Sie brüllt nicht nur«, sagte Joanne. »Irgendetwas stört sie.«
    »Vielleicht du?«
    »Ich?«
    Tony blickte in die ängstlichen Augen seiner Frau. »Also gut«, sagte er. »Okay.«
    »Zu einem Privatarzt?« Joanne sah ihn erwartungsvoll an.
    »Ja. Aber nur dieses eine Mal, in Ordnung?«
    »Natürlich.« In diesem Moment, als das schreckliche Weinen ihres Babys in ihrem Kopf widerhallte und sie spürte, wie der kleine warme Körper in ihren Armen sich mit jedem Schrei mehr versteifte, hätte sie sich mit allem einverstanden erklärt.
    Außerdem wusste sie, dass Tony es nicht so meinte – wenn Irina jemals wieder einen Kinderarzt brauchte, würde es ihm nichts ausmachen. Nicht wenn die Gesundheit ihrer Tochter auf dem Spiel stand.
    Mit der Gesundheit ihrer Tochter war laut Dr. Anna Mellor in der Wimpole Street alles in bester Ordnung.
    »Sie ist ein süßes kleines Mädchen«, sagte die Ärztin nach einer gründlichen Untersuchung, bei der Irina ihr Talent zum Schreien fast ununterbrochen unter Beweis gestellt hatte.
    »Allerdings ein ziemlich lautes Kind, da gebe ich Ihnen Recht.«
    Sie strahlte Joanne und Tony an. »Aber das ist ganz einfach ihre Art.«
    »Sie meinen, das geht jetzt immer so weiter?«, fragte Tony.
    Anna Mellor zwinkerte Joanne zu. »Ein kleiner Systemschock für den Vater.«
    »Es ist nur, weil sie bis vor ein paar Wochen so still war«, sagte Joanne.
    »Vielleicht hatte sie ihre Stimme noch nicht entdeckt«, sagte die Ärztin. »Auf jeden Fall«, fuhr sie fort, »gibt es keinen Hinweis auf eine ernste gesundheitliche Ursache, und das ist ja 49
    sicher der Punkt, der Ihnen beiden die meisten Sorgen gemacht hat. Das ist doch die Hauptsache.«
    »Ja, das ist wunderbar«, sagte Joanne, zutiefst erleichtert.
    Wie aufs Stichwort fing Irina wieder zu weinen an.
    »Sie wird doch da rauswachsen, oder, Frau Doktor?«, fragte Tony.
    »Natürlich«, antwortete die ältere Frau. »Irgendwann.«
    Sie stand auf und lächelte Irina noch einmal an.
    »Offensichtlich haben Sie da ein kleines Mädchen mit einem guten, starken Charakter.«
    »Vor allem ist er laut«, sagte Tony.
    »Kopf hoch, Mr Patston. Sie werden sich daran gewöhnen.«

    Ermutigt durch Dr. Mellors Einschätzung, akzeptierte Joanne Irinas Geschrei als einen Teil ihres Wesens. Darum ging es schließlich bei der Mutterschaft; es war ein wesentlicher Bestandteil dessen, was sie sich so lange ersehnt hatte.
    »Ich ertrage das nicht«, sagte Tony, als er zwei Wochen nach ihrem Besuch in der Wimpole Street ins Kinderzimmer kam.
    »Sie wird bald damit aufhören.« Joanne saß in dem Fütterstuhl, den ihre Mutter ihnen geschenkt hatte, und schaukelte vor und zurück.
    »Ich meine es ernst, Jo. Ich kann diesen verdammten Lärm keine Sekunde länger ertragen.«
    Joanne blickte überrascht auf. »Beruhige dich, Tony.«
    »Sie treibt mich in den Wahnsinn, Jo.« Er legte sich beide Hände an die Schläfen und lief im Zimmer auf und ab. »Ich habe noch nie so ein Baby gehört. Das ist nicht normal.«
    »Natürlich ist sie normal.« Joanne fühlte sich in die Defensive gedrängt. »Du hast so was nur deshalb noch nicht gehört, weil du noch nie mit einem Baby zusammengelebt hast.«
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    »Allmählich wünsche ich mir, es wäre dabei geblieben«, sagte Tony und stapfte aus dem Zimmer.
    Und das war erst der Anfang. Irinas Weinen, behauptete Tony, dringe ihm durch Mark und Bein und ließe beinahe seinen Kopf zerspringen. So begann er im Lauf der nächsten Wochen, das Baby beinahe vollständig seiner Mutter zu überlassen. Wenn Irina nachts schrie, stopfte er sich Watte in die Ohren, zog sich ein Kissen über den Kopf und fuhr Joanne an, sie solle das Kind zum Schweigen bringen. Schrie Irina abends oder am Wochenende, ging er in den Garten oder nach nebenan zu Paul –
    oder ins Crown and Anchor.
    »Du kannst nicht jedes Mal davonlaufen, wenn deine Tochter weint«, beschwerte Joanne sich.
    »O doch«, sagte er und tat es auch.
    An einem Sonntagmorgen Ende August – Irina war seit vier Monaten bei ihnen – war Joanne gerade ins Bad gegangen, als sie hörte, wie Irina wieder zu weinen anfing.
    »Joanne!«, brüllte Tony von unten.
    Sie wollte schon aufstehen, überlegte es sich dann aber anders, setzte

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