Blankes Entsetzen
ihre wahren Motive zu verbergen, bevor es zu spät war.
»Stell dich nicht so zur Schau«, beschimpfte sie Sophie.
Ihre Tochter starrte sie an. »Ich hab doch nur gelacht.«
Auf Unterstützung hoffend, sah sie ihren Vater an. »Daddy hat mich zum Lachen gebracht. Was ist verkehrt daran?«
Lizzie spürte Christophers Blick, brachte es aber nicht über sich, ihn anzuschauen; sie wusste, dass sie keine andere Möglichkeit hatte, als den einmal eingeschlagenen Kurs beizubehalten.
»Wir sind hier in einem sehr guten Hotel«, sagte sie zu ihrer Tochter und hasste sich selbst dafür. »Du hast die Leute gestört.«
»Hab ich nicht.« Sophies Augen füllten sich mit Tränen.
»Warum bist du so gemein?«
Sie wartete nicht auf Lizzies Antwort, sondern bückte sich, griff nach ihrem Kleid und ihrer Strandtasche, schlüpfte in ihre 148
Sandalen und rannte davon.
»Das war ja reizend«, sagte Christopher mit kühler Stimme.
Jetzt begegnete Lizzie seinem Blick. Er hielt seine Sonnenbrille in der Hand und starrte Lizzie voller Entsetzen an. Er wusste, was eben in ihr vorgegangen war. Sie schaute in die andere Richtung, sah Sophie an Edward vorbeirennen, der die Getränke und ihr gelato trug, und sah, wie Gilly – in einem auffälligen roten Bikini mit passendem Tuch, das lange dunkle Haar hochgesteckt – versuchte, mit Sophie zu sprechen, aber das Mädchen beachtete sie nicht.
»Ich gehe ihr hinterher«, sagte Lizzie und sammelte ihre Sachen zusammen.
»Gute Idee«, sagte Christopher ganz leise.
»Was ist denn mit Sophie?«, fragte Gilly. »Sie sah ziemlich wütend aus.«
»Das ist meine Schuld«, sagte Lizzie.
»Oh«, sagte Gilly. »Wer will sieben Jahre alt sein?« Sie lächelte. »Wer will Mutter sein?«
Lizzie kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. »Ich«, sagte sie.
»Sie wird sich schon beruhigen«, sagte Gilly mitfühlend.
»Hoffentlich«, sagte Lizzie. »Wenn ich mich erst entschuldigt habe …«
»Sie hat großes Glück«, sagte Gilly, »eine Mutter zu haben, die dazu bereit ist.«
»Ich fasse es nicht, dass du auf so eine Idee kommen konntest.«
Christopher hatte am Pool gewartet, bis Sophie zurück war; dann hatte er sie und die Jungs in Gillys Obhut gelassen und war hinauf in die Suite gekommen, um Lizzie zu suchen. Seine Sonnenbräune wirkte plötzlich fehl am Platze, als wäre sie nur 149
Make-up, und seine Haut darunter kalkweiß. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt.
»Ich weiß ja.« Lizzie wandte sich ab und ging auf den Balkon zu.
»Hast du diese Befürchtung schon länger?«
»Ich habe vorher noch nie an so etwas gedacht«, sagte sie.
Das war die Wahrheit. Es war ihr noch nie in den Sinn gekommen. Nicht nur, weil es zu grauenvoll war, auch nur darüber nachzudenken, sondern weil sie gewusst hatte (oder zu wissen geglaubt hatte), dass Christopher – ganz gleich, was er ihr angetan hatte und ihr eines Tages vielleicht noch antun würde – den Kindern niemals etwas zuleide tat.
»Weißt du denn nicht«, sagte er jetzt, »dass ich ihnen niemals ein Haar krümmen würde?«
Lizzie drehte sich um zu ihm. »Wenn mir am Anfang unserer Beziehung jemand gesagt hätte, dass du mir Schmerzen zufügen willst …«
»Das tue ich nicht«, brach es aus ihm heraus. »Nicht absichtlich.«
»Du hast mir nicht nur einmal wehgetan.« Sie war jetzt sehr ruhig, ohne die leiseste Ahnung zu haben, wie sie es schaffte, in einem Moment wie diesem so gefasst zu bleiben.
»Warum bist du dann bei mir geblieben?«, fragte er.
»Du weißt warum«, sagte Lizzie.
»Ich dachte …« Christopher hielt inne, ging zum Sofa und ließ sich darauf fallen.
»Was dachtest du?«
»Du erweckst manchmal den Eindruck … auch mir gegenüber, nicht nur vor anderen … dass du mich immer noch liebst. Nicht nur als Vater deiner Kinder.«
Lizzie wurde übel. »Tu nicht so, als wüsstest du nicht, was ich 150
empfinde, wenn du im Bett diese Dinge mit mir machst, Christopher.«
»Aber darum geht es hier nicht.« Er starrte zu ihr hoch. »Und selbst wenn, kannst du nicht leugnen, dass ich mich jetzt schon seit langer Zeit zurückhalte, weil ich genau wusste, wie nervös du wegen dieser Tour warst.«
Lizzie setzte sich in einen der Sessel.
»Und sogar hier«, fuhr er fort. »Du warst sicher, dass ich dich auf dieser Reise enttäuschen würde, aber ich habe dich kein einziges Mal angerührt.«
»Stimmt«, sagte Lizzie. Noch nicht.
»Weil ich dich respektiere«, sagte er. »Ich respektiere, was du tust und wer du
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