Blankes Entsetzen
Anschluss einen Tisch fürs Abendessen im Le Gavroche. Nicht unbedingt Lizzies Traum von einem idealen Abend in London, aber ziemlich genau Christophers Vorstellung.
»Dafür musst du die Kasse wohl ein wenig plündern«, sagte Angela, als sie es hörte. »Aber wenn jemand es verdient hat, dann Christopher.«
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Lizzie erinnerte sich an Edwards Schreie, an Sophies Weinen und Jacks fassungsloses Gesicht. Und an Christopher, wie er sich um alle drei gekümmert, Edward verarztet und die ganze Familie nach Hause gebracht hatte.
»Ja, er hat es verdient«, sagte sie.
Und sie meinte es auch so.
Die Feier war ein großer Erfolg. Christopher war gut gelaunt und in Bestform, vom Frühstück bis zur letzten Minute des Abends, als sie wieder in Holland Park waren und mit ihren Gästen im Wohnzimmer einen Schlummertrunk nahmen, während die Kinder und Gilly am anderen Ende der Wohnung schliefen.
»Erinnert mich daran, dass ich euch Taxis rufe«, sagte Lizzie, während sie zusah, wie Christopher die zweite Runde eines sehr alten Calvados einschenkte, den Peter und Anna ihm mitgebracht hatten. Die vier hatten ihre Autos zu Beginn des Abends vor der Wohnung geparkt, und Lizzie erinnerte sich vage daran, dass sowohl Anna als auch Moira an der Champagnerbar gesagt hatten, sie seien die designierten Fahrerinnen. Doch sie waren schon in der Pause weich geworden, und die Weinliste im Gavroche hatte jeden Rest von Vorsatz in kleine Stücke zersprengt.
»Außer, ihr möchtet hier bleiben«, fügte Christopher hinzu.
»Wir haben nur ein Gästezimmer«, erinnerte Lizzie ihn.
»Und ich habe zwei Patienten, die ich zu Mittag besuchen muss«, sagte Peter. »Ich glaube, ich werde den Morgen zu Hause brauchen, zu Ausnüchterungszwecken.«
»Und Moira hat Probe«, sagte Guy. »Nicht wahr, Liebling?«
Moira nickte, worauf Lizzie den richtigen Augenblick gekommen sah, das örtliche Taxiunternehmen anzurufen. Eine halbe Stunde später – es war gerade Viertel nach zwei durch –
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standen Christopher und sie vor der Wohnungstür, sein Arm um ihre Schultern, und winkten ihren Gästen nach.
Er schloss die Tür und zog den Arm weg.
»Lizzie, ich kann dir gar nicht sagen, wie viel dieser Abend, der ganze Tag mir bedeutet hat.« Seine Augen waren leicht gerötet vor Müdigkeit und zu viel Alkohol, doch es gab keinen Zweifel, dass Liebe darin lag. »Das war etwas ganz Besonderes, und ich bin dir sehr dankbar.«
»Es war mir ein Vergnügen«, sagte sie leise.
»Du siehst müde aus.«
»Das bin ich auch, aber auf angenehme Weise, verstehst du?«
»Absolut«, sagte er.
Lizzie blickte in Richtung Wohnzimmer. »Ich glaube, ich lasse die Gläser bis morgen stehen und gehe direkt ins Bett.«
»Ich kümmere mich um die Gläser«, sagte Christopher, »und sehe nach den Kindern. Danach trinke ich noch in Ruhe ein letztes Glas, bevor ich mich hinlege.« Er lächelte. »Ich habe die nächsten sechsunddreißig Stunden frei.«
»Nochmals herzlichen Glückwunsch, Christopher«, sagte Lizzie.
Und ging schläfrig ins Bett.
Das Quietschen der Türangeln holte sie von tiefem Schlaf in einen leichten Schlummer; das Knarren eines Dielenbretts neben dem Bett schließlich brachte sie noch näher ans Bewusstsein.
Sein Gewicht auf dem Bett selbst weckte sie vollends.
Der Geruch, die Hitze seines Körpers.
»Was …?«
Seine Hand auf ihrem Mund schnitt ihr das Wort ab; dann spürte sie das Gewicht seines Körpers auf ihrem, seine freie Hand auf ihrer Haut, die ihre Brüste suchte, nach ihnen 185
grapschte, ihr in die Brustwarzen kniff, während sein Knie sich zwischen ihre Schenkel drängte.
»Lass uns ficken, Star«, sagte er, hob die rechte Hand und schlug Lizzie. »Es wird Zeit, einen Star zu ficken.«
Sie wehrte sich, versuchte, ihn zu treten, ihn von sich zu stoßen, doch er schlug noch einmal zu. Es war aussichtslos. Und als sie fühlte, wie er anfing, eisenhart in sie hineinzurammen, verschloss sich bereits ein Teil von Lizzies Verstand. Ihre Gedanken und Gefühle konzentrierten sich auf die Kinder, die am Ende des Flurs in ihren Zimmern schliefen. Seine Hand auf ihrem Mund, die sie vom Schreien abhalten sollte, war im Grunde unnötig, weil sie sich in jeder Sekunde dieses Albtraums bewusst war, dass es nur eins gab, was noch schlimmer wäre als das, was gerade mit ihr geschah: wenn eins ihrer Kinder erfahren würde, sehen könnte, was ihr Vater ihrer Mutter antat.
Doch in Gedanken schrie sie, während er immer weiter in sie
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