Blankes Entsetzen
hineinhämmerte; sie war trocken, und er rammte mit aller Kraft, und sie wusste, dass er sie schlimm verletzte.
Ehe Lizzie das Bewusstsein verlor, dachte sie mit seltsamer Distanziertheit, dass er irgendetwas genommen haben musste, irgendeine Droge. Nach der Menge Alkohol, die er den ganzen Tag über konsumiert hatte – seit dem Mittagessen –, war es sicher für keinen Mann möglich, ohne Hilfe irgendeiner Substanz eine solch brutale Attacke zu starten.
»Alles okay?«
Seine Stimme.
Sie kam mit einem entsetzlichen Schrecken zu sich – erst der Schock, dann die Schmerzen. Schlimme Schmerzen.
Es war hell im Schlafzimmer, und sie sah ihn. Er trug seinen schwarzen Seidenbademantel, und in seinen Augen lag jetzt nur noch Sorge, keine Spur mehr von Brutalität, bloß noch Angst, 186
die er nur mit großer Mühe zügelte.
»Es geht dir bald wieder gut, Lizzie.«
Jetzt war er wieder ihr Mann. Der Arzt. Nicht der Vergewaltiger.
»Raus hier.« Ihre Stimme hatte keine Kraft. Sie versuchte, sich zu bewegen, doch es schmerzte zu sehr, und sie stöhnte. Und da war noch etwas …
Blut.
»O Gott.«
»Ich kümmere mich darum, Lizzie. Hab keine Angst, mein Schatz.«
Schatz.
Sie wollte schreien, wollte Gilly rufen, sie bitten, ihn von ihr wegzuschaffen, die Kinder aus der Wohnung zu bringen, ihr einen Arzt zu holen, einen anderen Arzt. Aber Sophie und die Jungs würden sie dann ebenfalls hören, und überhaupt, sie konnte nicht schreien, sie konnte gar nichts, sie war viel zu schwach. Und dann verlor sie wieder das Bewusstsein.
Als Lizzie das nächste Mal erwachte, lag sie in einem hellen, seltsam riechenden Zimmer, und Christopher beugte sich über sie. Er trug jetzt einen grünen Kittel und einen Mundschutz und sagte noch einmal, dass es ihr bald wieder gut gehen würde. Ihr Hals tat weh, und ihr Mund war staubtrocken. Sie konnte nicht sprechen.
»Ich habe die Blutung gestoppt. Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen, Lizzie. Das Problem ist beseitigt.«
Du bist das Problem, antwortete sie in Gedanken.
Eine Krankenschwester stand in der Nähe.
Er ist das Problem, sagte Lizzie in Gedanken auch zu ihr.
»Die Kinder wissen, dass es dir nicht gut ging, aber dass bald 187
wieder alles in Ordnung ist. Um sie musst du dir also auch keine Gedanken machen. Du musst dich jetzt vor allem ausruhen.«
Christopher küsste sie auf die Stirn. »Schlaf, Liebling.«
Sie schlief.
Das nächste Mal wachte sie in einem anderen Zimmer auf, in einem Krankenhausbett. In ihrem Handrücken steckte eine Kanüle; der Schlauch führte zu einem Apparat, der neben dem Bett stand. Weitere Schläuche kamen von unten.
Schmerzen.
»Es tut weh …«, sagte Lizzie.
»Das hört bald auf«, sagte eine Frauenstimme. »Es dauert nicht mehr lange.«
Lizzie drehte sich um und sah eine Krankenschwester auf der anderen Seite ihres Bettes sitzen, die gleiche junge Frau, die sie vorher im Aufwachraum gesehen hatte; sie war hübsch, mit braunen Haaren, und lächelte sie beruhigend und verbindlich an.
»Wo sind wir?«, fragte Lizzie benommen.
»Im Beauchamp, Mrs Wade.« Die Krankenschwester griff nach ihrer nadelfreien Hand und tätschelte sie sanft. »Sie wurden operiert.«
»Blut …«, sagte Lizzie.
»Ihr Mann hat die Operation selbst vorgenommen«, sagte die andere Frau. »Sie brauchen sich also nicht die geringsten Sorgen zu machen.«
»Do it yourself«, sagte Lizzie schwach.
Es folgte eine kleine Pause, als die Krankenschwester versuchte, Lizzie zu verstehen, was ihr aber nicht gelang.
»Also, Mrs Wade, wenn die Schmerzen zu schlimm werden und Sie allein sind, müssen Sie nur die Tropfzufuhr höher regeln, oder Sie drücken auf die Ruftaste, und ich bin sofort bei 188
Ihnen. Mr Wade hat mich gebeten, mich so intensiv wie möglich um Sie zu kümmern.«
»Hat er das?«
»O ja«, sagte die Schwester.
Und Lizzie, immer noch gelähmt durch die Nachwirkungen der Narkose und der Operation, versuchte sich auszumalen, wie das Gesicht der Frau sich veränderte, wenn sie sie bat, die Polizei anzurufen, um ihren Mann verhaften zu lassen.
Tu es, sagte sie sich.
Natürlich würde sie es nicht tun. Sie konnte das Edward und Sophie und vor allem Jack nicht antun – keinem von ihnen.
Nicht das.
Und überhaupt, diese junge Frau mit dem verbindlichen Lächeln – außer ihr hatte Lizzie schließlich niemanden gesehen
– war wahrscheinlich eine Jüngerin von Sankt Christopher.
Schließlich war das hier seine Klinik, sein
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