Blankes Entsetzen
so fest vor die Brust, dass dieser zur Seite und gegen die Wand neben Clares Schreibtisch stolperte.
»Was ist denn hier los?«, wollte Novak wissen, nun vollends verwirrt.
»Gute Frage.« Allbeury fand das Gleichgewicht wieder und klopfte sich das Sakko ab. »Was tun Sie hier, Wade?«
»Ich bin hier«, der andere Mann lallte ein wenig, »um dir zu sagen, dass du dich verdammt noch mal von meiner Frau fern halten sollst.«
Novak entfernte sich ein Stück von den beiden und wich zurück in Richtung seines eigenen, halb zerstörten Schreibtischs. »Ich weiß nicht, was hier los ist«, sagte er zu Wade, der mit wirrem Blick hinter seiner Brille hervorstarrte, »aber verlasst auf der Stelle mein Büro, sonst rufe ich die Polizei.«
»Ich scheiß drauf, wen du anrufst«, sagte Christopher.
»Vielleicht sollten wir das lieber draußen klären«, sagte Allbeury zu ihm, »wenn Sie nicht wollen, dass Mr Novak erfährt, was für einen Ehemann Lizzie wirklich hat.«
»Du Hurensohn!« Christopher sprang auf Allbeury zu, verfehlte ihn und warf Clares Schreibtischlampe zu Boden. Dieses Mal wehrte sich Allbeury. Er packte Wades rechten Arm und drückte ihn mit so viel Kraft von sich, dass er ihn umwarf.
»Um Gottes willen, Robin«, schrie Novak.
Helen sah den Jaguar, der verkehrswidrig in der schmalen Kopfsteingasse parkte, sowie einen glänzenden schwarzen BMW, der ihm praktisch auf der Stoßstange hing, und stellte ihren Mini zehn Meter hinter den beiden Autos ab.
Die Vordertür stand offen, und Helen stieg die Treppe hinauf.
Von oben hörte sie Kampfgeräusche.
Sie rannte los, spurtete die nächsten beiden Treppenabsätze hoch, blieb kurz vor der Tür stehen, hörte Novak irgendetwas schreien und stürmte ins Zimmer.
Ein Mann, den sie nicht kannte, brüllte etwas Unverständliches und stürzte sich auf Robin Allbeury. Die beiden Männer prallten zusammen, fielen zu Boden und rangen miteinander, während Novak sich nach Kräften bemühte, sie zu trennen.
»Verdammt!«, stieß Helen hervor.
»Stehen Sie doch nicht einfach so da«, rief Novak ihr vom Boden aus zu.
Sie fluchte noch einmal und wünschte, sie hätte eine Waffe, mit der sie die Männer bedrohen könnte. »Polizei«, sagte sie laut und ging dazwischen.
Der Fremde mit dem zerschlagenen Gesicht brüllte auf, als Helen seine Arme packte, um ihn von Allbeury herunterzuziehen. Dann warf er sich auf sie, und Helen sah, dass er unter erheblichem Drogeneinfluss stand.
»Sie sind verhaftet«, stieß sie keuchend hervor.
»Himmel, Inspector«, sagte Allbeury, als Wades Gewicht von seiner Brust verschwand, »Ihr Timing wird besser.«
Christopher Wade, blind vor Wut und vom Rauschgift, schlug wieder nach Helen. Diesmal traf er sie an der Schulter, und sie schrie vor Schmerz und Wut. Novak stürzte los und schnappte Christopher am Jackenärmel, doch er konnte sich losreißen und rannte auf die noch offene Tür zu.
»Nein, so nicht!« Helen erwischte ihn noch auf dem Treppenabsatz, bekam seinen rechten Arm zu fassen und riss ihn in einem Halbnelson nach hinten.
»Schlampe« , brüllte Wade und wirbelte in die Gegenrichtung.
Helen wusste, was passieren würde, noch bevor es geschah, konnte aber nicht schnell genug reagieren. Sie war immer noch voll gepumpt mit dem verdammten Novocain oder was die Zahnärzte heutzutage benutzten. Der Schwung riss ihr die Füße unter dem Körper weg. Sie versuchte sich festzuhalten, zuerst an Wade, dann am Geländer, dann am Eisengehäuse des Fahrstuhls, aber nichts konnte ihren Fall stoppen …
Erst der harte Steinboden des darunter liegenden Treppenabsatzes.
89.
»Wo ist Mom?«, fragte Edward, als er vor der Schule zu Jack und Sophie in den Range Rover stieg und Gilly am Steuer sitzen sah.
»In London.«
Gillys Magen ballte sich zu einem festen Knoten zusammen, als sie zuerst in Edwards und dann wieder in Jacks Gesicht blickte – letzteres zeigte immer noch nicht die geringste Regung. Er hatte ihr vor einer halben Stunde, als sie ihn und Sophie an der Schule eingesammelt hatte, die gleiche Frage gestellt. Seine Schwester hatte nur gefragt, wann Lizzie zurückkommen würde, und ihre Abwesenheit einfach akzeptiert – sie war es gewöhnt, dass ihre Eltern kamen und gingen. Doch Jack hatte Gilly nur eine Sekunde lang angesehen, dann den Blick abgewandt und geschwiegen.
»Kommt sie heute noch zurück?«, fragte Edward jetzt.
»Ich weiß es nicht genau«, antwortete Gilly.
»Ich muss Hausaufgaben machen«, sagte Edward,
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