Blankes Entsetzen
Griff stützte er ihren Arm, half ihr aus dem Büro und um die Ecke zu seinem Jaguar. Er ignorierte ihren Protest, als er sie anschnallte, lief um den Wagen herum zur Fahrertür und stieg ein.
»Brauchen Sie einen Arzt?«, fragte er. »Und möchten Sie mit in meine Wohnung kommen oder lieber nach Holland Park?«
»Ihre Wohnung«, antwortete Lizzie, ohne zu zögern. »Ich glaube nicht, dass ich einen Arzt brauche.«
»Wenn Sie Ihre Meinung ändern«, sagte er, »geben Sie mir einfach Bescheid.«
Sie war sich bewusst, dass er sie nicht gefragt hatte, ob er Christopher anrufen solle.
Winston Cook, der sich nach weniger als einem Tag Arbeit die ganze Woche nicht mehr hatte blicken lassen (Allbeury glaubte ihn schon für immer verschwunden), hatte an diesem Morgen wieder vor seiner Tür gestanden und eine Geschichte von einer kranken Schwester erzählt.
Winston saß auch jetzt noch im blauen Büro, den Blick konzentriert auf den Flatscreen-Monitor des PC gerichtet, während seine Finger über die Tastatur flogen.
»Ich komme gut voran«, sagte er zu Allbeury, der zu ihm hereinschaute, nachdem er Lizzie in seinen Salon am anderen Ende der Wohnung geführt hatte. »Es dauert nicht mehr lange.«
»Der Zeitpunkt ist sehr ungünstig für mich«, sagte Allbeury. »Es wäre mir lieber, du gehst.«
»Ich kann jetzt nicht gehen«, sagte Cook. »Sonst verliere ich ihn.«
»Ich habe jemanden zu Besuch, dem es nicht gut geht«, sagte Allbeury.
»Kein Problem«, sagte Cook. »Sie werden gar nicht merken, dass ich hier bin. Ich geb keinen Mucks von mir.« Er sah ihn flehentlich an. »Ich habe es fast geschafft.«
Wider Willen musste Allbeury lächeln. »Okay.«
Er ging wieder zu Lizzie in sein gemütliches und zugleich beeindruckendes Eckzimmer; zwei Wände hingen voller Gemälde, und große Panoramafenster ließen helles Licht ein. Lizzie saß da und blickte hinaus, ohne etwas zu sehen.
»Kommen Sie hier klar, während ich Tee koche?«, fragte er. »Stark, mit viel Zucker. Das tut gut bei einem Schock.«
»Okay.« Sie fragte sich, woher er wusste, dass sie nicht krank war, sondern unter Schock stand. »Vielen Dank, Robin.«
»Laufen Sie nicht weg«, sagte er.
»Mache ich nicht«, sagte Lizzie.
Sie erzählte ihm alles, von Anfang an.
»Ich schäme mich so«, sagte sie. »Ich empfinde noch vieles andere, aber Scham steht ganz oben.«
»Weil Sie ihn nicht verlassen haben?«, fragte Allbeury.
»Ja«, sagte Lizzie.
»Sie sind wegen der Kinder geblieben.«
»Natürlich.«
»Vor allem wegen Jack.«
»Ja«, sagte sie noch einmal. »Aber was hat es jetzt gebracht, dass ich geblieben bin?«
Allbeury dachte kurz nach. »Die Kinder wissen nichts von alledem, oder?«
Lizzie schüttelte den Kopf. »Jack weiß nur, was er letzte Nacht gesehen hat, und Edward kann nicht mehr wissen, als was Jack gesagt hat.« Sie hielt inne. »Und Sophie weiß bisher noch gar nichts, Gott sei Dank.«
»Die Kinder müssen auch nicht alles erfahren«, sagte Allbeury. »Es sei denn, Sie wollen es ihnen sagen. Aber da ich Sie kenne, wage ich das zu bezweifeln.«
»Tun Sie das?« Sie verspürte Neugier. »Mich kennen, meine ich?«
»Ich glaube, ich weiß genug, um mir einiger Dinge sicher sein zu können.«
»Welche sind das?«
»Dass Sie eine wunderbare Mutter sind«, sagte er. »Und eine viel loyalere Ehefrau, als Ihr Mann es verdient.« Er beobachtete, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. »Und Sie sind eine der wundervollsten Frauen, denen ich je begegnet bin.« Er hielt inne. »Auch wenn Sie das vielleicht nicht von mir hören wollten.«
»Ich glaube nicht«, sagte sie müde, »dass ich im Augenblick überhaupt weiß, was ich will.«
»Schlafen Sie«, sagte Allbeury. »Soweit ich es beurteilen kann, brauchen Sie Ruhe jetzt am dringendsten.«
Er führte sie in ein elfenbeinfarbenes Gästezimmer, in dem ausschließlich Bilder von Blumen und Gärten in sanften Farben hingen.
»Durch diese Tür kommen Sie in ein Bad. Und hier steht ein Telefon«, er deutete auf den Nachttisch, »falls Sie es brauchen. Und falls Sie mich brauchen, ich bleibe in der Nähe, also rufen Sie einfach oder kommen Sie mich suchen, was Ihnen lieber ist.«
»Sie sind sehr freundlich«, sagte Lizzie.
»Ach was.« Allbeury winkte ab. »Ich möchte nur, dass Sie sich sicher fühlen.«
»Ich fühle mich sicher«, sagte sie.
»Schlafen Sie gut«, sagte er und ging zur Tür.
Der Wecker auf dem Nachttisch zeigte 14 Uhr 10. »Ist es in Ordnung, wenn ich ihn auf
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