Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
Vom Netzwerk:
besonnen auf den richtigen Kurs bringen. Und in Zeiten wie diesen würde Lizzie wieder ganz genau wissen, warum sie ihn geheiratet hatte – auch ein Grund, warum sie bei ihm geblieben war.
    Wenn es nur immer so sein könnte.
    Seit Jacks Diagnose und ihrer anschließenden Entscheidung, Christophers »andere Seite« zu akzeptieren, waren mehr als sechs Jahre vergangen. Der Schock, der Lizzie befähigt hatte, sein Verhalten hinzunehmen, war längst verklungen, doch ihre natürliche Abscheu war bald umso heftiger zurückgekehrt.
    Nicht, dass es wirklich einen Unterschied machte. Sie hatte wieder angefangen, sich zu wehren und ihm sogar zu drohen, wenn es ihr zu viel wurde, doch ihre Drohungen waren leer, und Christopher wusste es – der Mann, der Erfüllung fand, indem er Gewalt gegen seine eigene Frau gebrauchte, während er mit ihr schlief, und dabei eine unflätige Sprache benutzte. Mit Liebe machen hatte es für Lizzie nichts zu tun. Immer noch biss er sie, fügte ihr Schmerzen zu und machte ihr Angst, wobei er jetzt stets sorgfältig darauf achtete, ihr die Bisse und sonstigen Blessuren an Stellen zuzufügen, wo niemand anders sie sehen konnte – dafür reichte seine Selbstkontrolle, wie Lizzie mehr als einmal zornig feststellte. Dieser Mann, dieser Christopher Wade, wusste, dass sie ihn weder verlassen noch ihm die Kinder wegnehmen, noch ihn anzeigen würde.
    »Und überhaupt«, sagte er eines Nachts in der Wohnung, »es gefällt dir doch.«
    »Ich hasse es. Es ekelt mich an.«
    »Du bist eine starke Frau«, sagte Christopher. »Wenn du es so sehr hassen würdest, wärst du nicht mehr hier.«
    »Du weißt, warum ich hier bin.«
    »Du bist wegen deiner Kinder hier«, sagte er, »aber nicht nur. Du bist hier, weil du mich immer noch liebst, und das hier ist ein Teil von mir.«
    »Ja«, sagte Lizzie. »Da hast du sicher Recht. Aber es ist der Teil, den ich verabscheue.«
    »Und doch machst du mit. Du fügst dich.«
    »Ja«, sagte sie. »Und dafür verabscheue ich mich selbst. Ich wollte, du hättest die Kraft, das umzusetzen, was du mir geschworen hast, und dagegen anzukämpfen.«
    »Das war vorher«, sagte er.
    »Ich verstehe es nicht«, sagte Lizzie. »Ich kann nicht begreifen, warum ein Mann mit so viel Güte, mit einem solchen Verstand und solcher Stärke so etwas nachgibt …«
    »So etwas?«, fragte er leise. »Der Verdorbenheit?«
    Sie schwieg.
    »Es ist mein Fluch, Lizzie.«
    »Nicht nur deiner.«
    »Nein«, sagte er.
    Schön wär’s.
    Jetzt, nach dem Anruf ihrer Mutter, spielte sie das Spiel wieder. Wenn das Leben immer so wäre wie diese Woche, wo Christopher unterwegs war und sie sich allein mit Gilly um Kinder und Haushalt kümmerte, könnte sie mehr oder weniger die Lizzie Piper sein, wie die Welt draußen sie sah.
    Das Spiel hieß Realität. Und die sah so aus, dass Jack sich nur deshalb vergleichsweise gut fühlte, weil es den Ärzten gelungen war, seine Schmerzen vorübergehend zu verringern – und weil sein geliebter Daddy nur wenige Tage auf Reisen sein würde. Die Realität sah so aus, dass sowohl der an den Rollstuhl gefesselte zehnjährige Junge als auch sein Bruder und seine Schwester unerträgliche Qualen erleiden würden, wenn Christopher dauerhaft auszöge.
    Die Realität sah so aus, dass es den Menschen, der »einfach nur Lizzie« war, nicht gab. Es gab eine Mutter und eine Tochter, eine Frau, die ganz gut schreiben und sehr gut kochen konnte.
    Und die Ehefrau, ob es ihr nun gefiel oder nicht.
    Die Ehefrau, die Ende Juli, wenn alle vorbereitenden Gespräche geführt, die Planungen abgeschlossen und ihr Konzept – hoffentlich – in eine Fernsehreihe und ein halbwegs verständliches Skript umgesetzt waren, mit einer noch unbekannten Anzahl nahezu Fremder zu einer Reise aufbrechen würde, um irgendwo am Mittelmeer ihren von aller Welt respektierten Ehemann und ihre unschuldigen, noch immer ahnungslosen Kinder zu treffen.

16.
    Die Geschäfte liefen schlecht bei Patston Motors, vor allem, weil Tony wegen seiner Trinkerei immer mehr Fehler machte. Er verlor Kunden, und ein Mann hatte gedroht, ihn wegen unlauteren Geschäftsgebarens anzuzeigen – woraufhin Tony sofort zu der Flasche Bell’s Whiskey gegriffen hatte, die er in seiner Schublade aufbewahrte.
    Wenn nur Irina, sagte er sich, dieses menschliche Fass ohne Boden, in das er sein ganzes sauer verdientes Geld schütten musste, ihm ein bisschen Liebe und Dankbarkeit zeigen würde, wäre alles leichter zu ertragen. Und Joanne, für die

Weitere Kostenlose Bücher