Blankes Entsetzen
Warum? Warum wollen Sie das für mich tun?«
»Weil ich es kann«, antwortete er schlicht. »Weil Sie und Ihre Tochter Hilfe brauchen, und ich glaube, ich kann sie Ihnen geben.«
»Und woher weiß ich, dass ich Ihnen vertrauen kann?«
»Das können Sie nicht wissen«, antwortete Allbeury. »Aber was bleibt Ihnen für eine Alternative?« Sie antwortete nicht. »Ich weiß, ich kann mir nicht einmal annähernd vorstellen, was es bedeutet, vor eine solche Wahl gestellt zu werden«, fuhr er fort. »Und wie ich Ihnen eingangs schon sagte, liegt alles bei Ihnen. Sie haben die Kontrolle.«
»Aber das stimmt doch nicht. Wenn ich zu dem hier Ja sage, habe ich nichts mehr unter Kontrolle, richtig?«
»Zu Anfang nicht.« Allbeury hielt inne. »Aber später.«
»Was ist mit meiner Mutter?«
Darauf war er nicht vorbereitet. »Falls Sie nicht möchten, dass Ihre Mutter mitkommt – obwohl es natürlich Komplikationen aufwerfen würde –, könnten Sie sie nicht mehr sehen, zumindest auf absehbare Zeit nicht.«
»Können wir uns noch einmal treffen? Sie und ich?«
»Natürlich«, sagte Allbeury. »Allerdings müssten wir dafür sorgen, dass Tony wieder beschäftigt ist, wir wollen ja keinen Verdacht erregen.«
»Aber wenn Irina und ich einfach verschwinden«, sagte Joanne, »wird er mit Sicherheit schrecklich wütend. Er würde uns suchen.«
»Aber er würde Sie nicht finden.«
Joanne schaute wieder zu Irina, die sich in ihrem Stuhl umgedreht hatte und sie ansah. »Meine Mom und sie hängen sehr aneinander.«
»Ich weiß, es ist schwer«, sagte Allbeury. »Aber in einer Situation wie dieser ist nun mal nichts perfekt.« Er hielt inne. »Joanne, es ist sicherer, wenn niemand anders davon weiß. Für Irina.«
Sie nickte, wieder den Tränen nahe.
»Passen Sie auf«, warnte Allbeury.
»Ich weiß.« Sie biss sich auf die Lippe und riss sich zusammen.
»Gut«, sagte er.
»Ich muss jetzt viel nachdenken«, sagte Joanne.
»Unbedingt.«
»Was passiert als Nächstes?«
»Wenn Sie sich dagegen entscheiden«, sagte er, »tun Sie gar nichts. Wenn Sie weitere Fragen haben oder die Antwort Ja lautet, müssen Sie nichts weiter tun als Mike Novak anrufen und es ihm sagen.«
»Und was dann?«, fragte Joanne, ihre Augen fest auf seine gerichtet.
»Dann treffen wir alle nötigen Vorkehrungen«, sagte Allbeury.
33.
»Nur ein kleiner Vaginalriss«, informierte Christopher sie kurz nach der Operation. »Es geht dir bald wieder gut, du wirst sehen.«
Dann ist ja alles bestens, dachte Lizzie ironisch, aber immer noch benommen. Christopher war sehr liebevoll zu ihr, zuerst in der Klinik und auch einige Tage später, als er sie heim nach Marlow brachte. Er war so fürsorglich und nett, wie er nach Edwards Unfall zu dem Jungen gewesen war, und zu ihrer Mutter, und wie er es von Anfang an zu Jack gewesen war.
Es wäre so schön gewesen, ihm glauben zu können … an ihn glauben zu können.
Aber sie konnte es nicht.
Obwohl Wunde und Naht noch schmerzten, als die Kraft langsam wiederkehrte, zwang sie sich, der Realität ins Auge zu blicken. Jetzt blieb ihr keine andere Wahl mehr, als Christopher entschlossen entgegenzutreten. Wenn sie diesmal nicht den Mut dazu aufbrachte, würde sie enden wie viele misshandelte Frauen: zu tief gedemütigt, um für ihre Rechte zu kämpfen.
Sie sorgte dafür, dass sie allein mit ihm war. Keine Trickserei, keine Spielchen. Sie bat ihn einfach, unter der Woche nach Marlow zu kommen, wenn die Kinder in der Schule waren und Gilly anderswo zu tun hatte. Es war Mittwoch, der achtzehnte September, nur zehn Tage nach ihrer Operation – zehn Tage und ein paar Stunden, nachdem Christopher sie vergewaltigt hatte –, doch es kam ihr wie ein ganzes Leben vor. Als Schauplatz der Konfrontation hatte sie ihr Arbeitszimmer gewählt, ihr eigenes Territorium, nicht seines. Sie bat ihn, sich in den Ledersessel gegenüber von ihrem Schreibtisch zu setzen.
»Ich fühle mich wie bei einem Bewerbungsgespräch«, sagte er.
»Es ist lange her«, begann Lizzie mit trockenem Mund, »seit ich gedroht habe, dich zu verlassen. Aber was du mir in der Nacht nach deinem Geburtstag angetan hast … alles, was du mir seither angetan hast, hat mir gezeigt, dass ich es unseren Kindern und mir selbst schulde.«
»Aber du musst doch wissen, dass ich die nie verletzen wollte!«, erwiderte Christopher erschüttert. »Ich hätte so etwas niemals absichtlich getan, und wenn ich es ungeschehen machen könnte, würde ich alles dafür
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