Blanks Zufall: Roman
gut sie roch, als er sie vorhin umarmte, sie sich länger hielten als es für Freunde üblich ist bei einer Begrüßung. Sie nun zu betrachten erfüllt ihn mit kindlichem Stolz auf sich selbst, dass er in ihrer Bar auftreten darf, dass er mit der Besitzerin des 'Raschinskis' befreundet ist.
Jeder der Anwesenden bestellt etwas und wenn jeder etwas zu Trinken hat, wird Jenny Marcus ein Stichwort geben, ein Kopfnicken, dass er beginnen kann. Beginnen mit seiner Begrüßung, seinen Monologen, wenn er in sich umschaltet von der Privatperson zum Entertainer, was er schon häufig tat, nur nicht in den letzten Jahren.
Im Kiffen verschwunden und endlich wieder aufgetaucht. Es war eine lange Reise, denkt er. Und das Wort 'Zuhause' fällt ihm ein für diesen Moment, in dem er jetzt ist, und für den nächsten Moment, der jetzt wird.
Marcus ist nervös, auch wenn er sich nichts anmerken lässt. So lehnt er mit dem Rücken an der Wand hinter sich, ein Glas Wasser in seiner rechten Hand, aus dem er gelegentlich trinkt, und schaut teilnahmslos zum Tresen, und wartet. Jede seiner Gesten, und mögen sie noch so klein sein, vollführt er bedächtig und ruhig. Eine erfundene Gelassenheit, wichtig für die Show (manchmal fragt er sich, ob Damon Black noch Nervosität verspürt vor seinen Shows und welches Ritual sie dann vertreibt; vielleicht findet er eine Antwort in „Confessions of an Illusionist“, das er noch nicht zu lesen begann, belohnen möchte er sich damit morgen, nach allen familiären Verpflichtungen, die ein Geburtstag mit sich bringt; wie lange ist es her, denkt er, dass ich mich wirklich auf etwas freute?).
„Soll ich ehrlich zu dir sein, Jenny?“ fragte er sie vorhin, als noch keiner außer den beiden anwesend war. „Ich habe Angst, dass ich es nicht mehr drauf habe, dieses ganze Ablenken und Verblüffen. Was ist, wenn ich nicht überzeuge und die ganze Fassade des Mentalisten zusammen bricht?“
Jenny reagierte, wie sie immer reagiert, um jemanden oder eine Situation aufzulockern. Sie lachte, was niemals aufgesetzt oder erzwungen klingt, sondern so frei wie ein Kind, das kein Unbehagen verspürt, weil es keinen Grund dazu gibt. Ihr Lachen klingt wie ein Mut machender Zuspruch, ein unbekümmertes Umarmen.
„Mein lieber Blank“, sagte sie dann ruhig und streichelte ihm über die Wange (wobei er sich an Anna erinnerte und einen Moment nur schuldig fühlte, dass er diese Geste von Jenny genoss), „wenn du eines über die Jahre nicht eingebüßt hast, dann ist es deine Ausstrahlung.“ Danach küsste sie ihm auf die Stelle, die sie zuvor gestreichelt hatte. „Viel Spaß heute Abend, Blank.“
Und jetzt steht er vor seinen Freunden und Kollegen, vor Fremden und Stammgästen des 'Raschinskis', und wartet. Besser wäre es vielleicht, einen hinteren Bereich zu haben, aus dem er dann hervor kommt, wenn es an der Zeit ist, die Spannung zu steigern, indem er sich Zeit lässt. Dann machte ein Applaus auch Sinn, begleitete den Entertainer an seinen Platz auf der Bühne. Aber jetzt schon anwesend zu sein, hat auch seinen Vorteil. Wenn Menschen auf einen Beginn warten, egal von was, offenbaren sie mehr von sich, als sie eigentlich wissen (und vielleicht zulassen würden).
Sie befinden sich dann in einem Leerlauf, der die Essenz ihres Wesen zum Vorschein bringt, weil sie sich nicht mehr bemühen, ihre Fassaden aufrecht zu erhalten (auch wenn einige sich keiner Fassaden bedienen). Zwischen Alltag und dem Beginn von etwas Besonderem existiert ein entlarvendes Zeitloch, das Marcus jetzt nutzt.
Er studiert sein Publikum, ihre Bewegungen und ihre Gespräche, lauscht auf Tonlagen und blickt auf Gesten, die sie sich gegenseitig zeigen, das Zunicken bei einem banalen Austausch von Fussball-Ergebnissen, das angespannte Gesicht bei einem für den Abend unterbundenen Streit, die unbedarfte Unsicherheit seiner Arbeitskollegen, weil sie nun privat kommunizieren müssen, was sie nicht gewohnt sind. Und Marcus studiert, was die Leute in ihren Taschen haben, welche Mobiltelefone, Brieftaschen oder sonstige Utensilien sie kurzzeitig präsentieren, um sie dann wieder zu verstecken. Er achtet auf Kleidungsstile, Schuhe und Schmuck.
Und je länger er sie studiert, je länger dieses Zeitloch andauert, desto ruhiger wird Marcus. Und als Jenny ihm schließlich zunickt, ist er bereit. Endlich beginnt seine Show, endlich ist er zurück, der große Blank.
IN DIESEM AUGENBLICK muss Marcus an sein Studium denken, eigentlich nur an etwas,
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