Blanks Zufall: Roman
glaube, da ist was anderes.“
Hugo greift hinein und im nächsten Moment zeigt sein Gesicht ungläubiges Erstaunen. „Es ist nicht hier, aber...“, er zieht einen Zettel hervor.
„Falte ihn bitte auseinander. Was steht da drauf?“
Hugo lacht verzweifelt.
„Häh?“ sagt er nur. „Häh?“
Marcus entnimmt Hugos Händen den Zettel und reicht ihn an Jenny weiter, die unsicher lächelt; und ein „Was ist hier los?“ deutet sie mit ihren Lippen an, sagt aber nichts.
„Würdest du bitte vorlesen, was da steht, solange Hugo noch seinen Wortschatz erweitert?“
Jenny liest den Zettel durch und sagt ebenfalls ein erstauntes „Häh“, aber dann liest sie vor:
„Hugo wird diesen Zettel anstatt des Handys in seiner rechten Jacken-Innenseite vorfinden. Das Handy ist wieder bei seinem Besitzer Sebastian.“
Das „Häh“ und ähnliche Laute raunen durch das Publikum. Die meisten schauen Marcus an als wäre er ein Geist oder ein anderes Wesen, das es nicht geben darf.
„Oh, und Sebastian“, fügt Marcus in die entstandene Stille hinzu, „ich glaube, du hast von mir eine SMS erhalten.“ Seine Freude kann er kaum bremsen, alles hat funktioniert, am liebsten würde er umher hüpfen und jeden einzelnen aus seinem Publikum umarmen. Aber er bemüht sich, seine gelassene Fassade Aufrecht zu erhalten, nur seine Stimme kann das Aufgeregte kaum verbergen.
Sebastian holt sein Mobiltelefon hervor und schaut auf das Display. Auch in seinem Gesicht steht nun der Unglaube, zu dem sich die Gewissheit gesellt, dass er in diesem Moment etwas Wunderbarem beiwohnt.
„Lies die SMS bitte vor“, sagt Marcus.
„Michael wird Haudrauf, Gänserich und Malkasten als die drei Worte wählen und aufschreiben.“
„Und wann habe ich sie geschrieben?“
„Um 23.23h.“
Marcus lacht auf wie ein Kind, jauchzend.
„Und das war, bevor ich hinaus ging, Leute, und, soweit jemand die Zeit mit bekam, bevor Michael die Worte auf ein Papier schrieb. Ich habe gelogen, tut mir leid, ich kann doch in die Zukunft schauen. Vielen Dank, das war's!“
Ein tosender Applaus unter anerkennenden Pfiffen. Marcus verbeugt sich und wünscht sich einen Vorhang, der fällt. Licht aus, denkt er.
ANNA VERLÄSST JENNYS Bar, nachdem sie Marcus gratulierte. Sie küsst ihm dafür auf die Wange, riecht nach Minze und Alkohol, und Marcus bemüht sich, seine Hände nicht zu lange bei der Umarmung auf ihrem Rücken zu haben. Allzu natürlich verlangt es ihn danach sie zu streicheln und er will es unbedingt vermeiden. Kerstin geht mit ihr, aber er glaubt, dass sie damit nur einer Verpflichtung nachkommt.
„Ich bin baff“, kommentiert sie seine Show, „ehrlich, ich weiß nicht, was ich sagen soll, es war einfach krass.“
„Ja, das stimmt“, pflichtet Anna ihr bei. Ihre Stimme klingt so dünn, dass sie in der Musik, die Jennys DJ seit dem Ende der Show auflegt, fast unter geht. Dann verschwinden die beiden Frauen durch den Vorhang, der die Haustür der Bar vor dem Inneren verbirgt, schluckt ihre Körper, als endet hiermit ihr Bühnenauftritt.
Inmitten all der Menschen, die nun im 'Raschinskis' anwesend sind, ist Marcus' Auftritt vergessen. Er ist wieder der private Mensch, dem keiner mehr Beachtung schenkt als anderen Fremden auch. Anders als kurz nach der Show, als einige aus dem Publikum nach seiner Nähe suchten und nach weiteren Auftritten und Ähnliches fragten. Besonders schmeichelte ihm das Lob von Fremden, auch von Daniela, Hugo, Gerhardt und Michael, die als Bestandteil seiner Show alles aus der Nähe erleben durften und doch nicht hinter sein Geheimnis kamen (verblüffend war das meist gewählte Wort, es war verblüffend, deine Show war verblüffend, die Tricks waren verblüffend, alles war so verblüffend, Blank, wie machst du das?).
Privat ist Marcus wieder zurückhaltender, und geradezu ablehnend seiner Ex-Freundin gegenüber. Der Moment von der Bühne, als sie ihm half, ist vergangen. Ein kurzes Erinnern, mehr nicht. Und kaum ist sie aus der Tür, ist es, als war sie gar nicht anwesend. Trotzdem fragen Jenny und Frank, unabhängig voneinander, was los sei zwischen den beiden, erst Jenny am Tresen, als Marcus sich ein Glas Wasser holt, dann Frank am Tisch in der Sofaecke, die sie zusammen mit den Arbeitskollegen von MarketAnalyzer und Karstens kleiner Gruppe in Beschlag nehmen (ein unpassend gemischter Haufen sich fremder Menschen, die Marcus da zusammen führte; gemeinschaftliche Gespräche fallen schwer).
„Ich dachte, es ist
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