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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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Neuigkeiten brachte! »Irgend so ein Drecksventil« habe die Bremsblockierung nicht überlebt; auch dieser Schaden aber ließe, so der Freund, sich mit »kaum 120, 180 Euro« beheben.
    Gern wäre da der gute Mensch seinem Namen wiederum gerecht geworden. Allerdings begab es sich, dass er ja keinen Pfifferling mehr hatte. Und mit Erstaunen spürte er, dass ihn dies beinahe erleichert stimmte. Denn war es, dachte er, nicht strenggenommen Ronnys LKW ? Und musste dann nicht letztlich der die drohende Runduminspektion berappen? Beziehungsweise sich gefälligst selber einen neuen Laster kaufen? Kurzum: Der gute Mensch schlug ab – und musste sich von Ronny arg beschimpfen lassen.
    »Die paar Euro«, wütete der LKW -Besitzer, »sind doch jetzt wohl wurscht!« Auch wies er noch mal darauf hin, dass er die ausgeborgten hundertfünfzig Euro erst zurückgeben könne, wenn »die Mistkarre wieder läuft«, und hielt dem guten Menschen schließlich vor, er sei ein geiziges, ein »ganz normales Spießerschwein« und »Ausbeuterarsch«, ja »Flachwichser.« An diesem Tag verabschiedete sich Ronny ohne Händedruck.
    So zogen die Wochen ins Land. Weihnachten stand vor der Tür, in den bunten Schaufenstern der Warenhäuser suchte unser guter Mensch nach einem neuen Wollwestchen für Mutti, da sah er Ronny wieder. Still lehnte er im Eingang einer kleinen Bierstube. Auf seinem Kopf saß eine grüne Büffelfellmütze mit Ohrenschutz, den Oberkörper wärmte ein zitronengelber, deutlich zu eng geratener Blazer. Lässig war ein PLO -Schal darübergeworfen. Mit Freude sah der gute Mensch, dass Ronnys Schuhwerk, zwei violette Gummistiefel, nun der Jahreszeit entprach. Mit der rechten Hand umklammerte er einen prall gefüllten blauen Stadtmüllsack, der bis hinunter auf den Gehweg reichte und dessen Boden hier und da ein wenig aufgerissen schien. Beide Männer waren über die unerwartete Begegnung sichtlich froh, und so entspann sich folgendes Gespräch:
    »Hallo Thomas«, sprach Ronny, denn so hieß der gute Mensch mit Vornamen. »Hast du die hundertachtzig Euro?«
    »Hast du die hundertfünfzig?«, parierte Thomas und verspürte Stolz über diesen präzis gesetzten Konter.
    »Pff! Solange du das Ventil nicht zahlst, krieg’ ich die Kiste nicht flott.«
    »Das«, sagte Thomas, »hatte ich vergessen. Steht also dein LKW noch auf der Kreuzung! Und was ist in dem Müllsack?«
    »Popcorn. Ich verkaufe es in Keipen. Zwei Handvoll ein Euro.«
    »Ach so.« Vielgesichtig, räsonierte Thomas, waren die Wege, die der Warenhandel einschlug. »Aber wo bekommt man derart viele Popcorntüten her?«
    »Es ist«, versetzte Ronny, »nicht in Tüten. Liegt da so lose drin. Hab ich im Kino geklaut. Hör zu«, sammelte sich Ronny und erbat sich eine Zigarette, »seit Tagen hab ich keinen Stoff mehr. Nicht ein Gramm Heroin! Ich sag dir die Wahrheit: Ich bin im Methadonprogramm. Aber dieser ganze Ersatzdreck ist voll scheiße. Gib mir wenigstens hundert Euro oder tausend!«
    Da aber erkannte Thomas, wie gut er daran getan hatte, Ronny das geforderte Restgeld zu verweigern. Denn im berauschten Zustand, sann er vor sich hin, soll man nicht Laster fahren! Und eins mit sich, Gott und der Welt ging unser guter Mensch, den einige auch »Gsella« nannten, seines Weges.
    Denn so hieß dieser Esel mit Nachnamen.

AUS DEM NOTIZBLOCK V
    Traum
    In einem Sandkasten von der Größe eines Fußballfeldes spiele ich mit etwa sieben Freunden undeutlicher Identität, präzis erinnerlich sind mir allein die Titanic -Kollegen Lenz und Sonneborn. Gemeinsam hüpfen wir von mannshohen Sandkastengrenzpfählen in den Sand, landen glucksend auf dem Bauch, erklettern die Pfähle, hüpfen hinunter und so fort, etwa einen halben Monat und jedenfalls so lange, bis wir uns von Tieren aus Afrika und Indien besucht sehen, Affen, mittelgroßen Hunden, tollen Giraffen mit sooo einem langen Hals, Maulwürfen seltsamerweise und freilich in der Hauptrolle einem bösen Löwen, der natürlich ausgerechnet mich anguckt und kriegen will, weshalb ich panisch wieder auf die Pfähle steige, panisch und blitzschnell, aber der böse Löwe ist schon sieben und kann auch klettern, hups springe ich wieder runter, der Löwe auch, Mama!, jetzt ist er nur noch zehn Zentimeter entfernt, gleich wird er mich pieksen, das weiß ich im Traum, nicht beißen, doch immerhin feste pieksen und Aua machen, da aber haut ihm ein baumhoher und zum Glück lieber Brummbär derart eine runter und schimpft so laut mit ihm, dass

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