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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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er wegrennt und mich laufen lässt, Ende –
    Ich liebe meine kleinen Töchter. Ich helfe ihnen in die Strumpfhose, putze ihre Zähne, lehre sie, auf Grün zu warten, erkläre ihnen den Hauptwiderspruch zwischen ausgebeuteten Arbeitern auf der einen und mir auf der anderen Seite und nehme ihnen nun also auch die Alpträume ab: ein schöner Zug, dem ich von Herzen gute Fahrt wünsche. Sobald ich Windeln überziehe, melde ich mich wieder.
    Was finden Sie lustiger?
    Dass mein Freund und Genosse Christian »Y« Schmidt nach Veröffentlichung seines Buches Wir sind die Wahnsinnigen , einer linken Kritik an den Grünen im Allgemeinen und Jockel Fischer im Speziellen, einmal dabei beobachtet wurde (und er tat es damals gewiss vielviel öfter): wie er, von einem führenden Presseorgan um eine politische Gesamteinschätzung Fischers gebeten, blendend faktenreich und lauthals fauchend den Rücktritt des vormaligen Westend-Kriegers und nachmaligen Serbentöters forderte, derweilen er, weil sommermorgens früh zu Hause angerufen, seine Wohnung hell erregt durchtigerte und mit nichts bekleidet war als einer zarten wie aparten Unterhose, durch die hindurch er sich, Fischers Ruf und Glaubwürdigkeit versiert vernichtend, politisch-hormonell voll aufgepeitscht und umso wibbeliger an den Eiern kraulte und sie lustvoll brüllend durcheinanderbrachte –
    oder das Bühnenarrangement meines kürzlichen Interviews mit wasweißichdenn gala- oder stern.de, in welchem ich den sogenannten Karikaturenstreit zwar aufs Schärfste verurteilte und langweilig fand, aber simultan, weil ebenfalls zur Aufstehzeit gefordert, am allmorgendlichen Urinieren und vor allem Scheißen war und also nicht mal Unterhose trug, sondern unser neues Katzenbaby, das, während ich mit der Rechten Weltwichtiges verkündete, auf meiner Linken ballrund eingeigelt saß und schnurrte, hörbar stolz aufs neue Herrchen, das, aber das weiß das Kätzlein ja bis heute nicht, eine rechte Scheiße dann auch redete , hahaha! Und furzend in den Orkus quasselte.
    Also was?
    Kollege, Kollege
    Dem Kollegen Martin Sonneborn obliegt gemeinhin die Pflege des bizarren Mythos, mit den Jahren sei ich nun evtl. ein wenig seltsam geworden und nurmehr periodisch in der Lage, ein zappelndes Telefon oder Handy richtigherum anzufassen und überhaupt die Kniffs modernen Fernrufs so weit auszukosten, dass sowohl ich wie auch der/die Anrufende halbwegs zügig herausbekommen, mit wem sie es zu tun haben – es ist aber natürlich nicht das Alter, sondern ein wuchtiges und sehr ansteckendes Virus, das meine frisch befallene und übrigens junge Freundin erst am gestrigen und zugegeben viel zu frühen Morgen zwang, einen Anrufer statt mit dem einfachen »Ursula Schrenk« mit dem ungleich komplizierteren »Ja, hier Telefon« zu begrüßen bzw. auszuknocken und per vierstündigem Lachwahn in den Ruin zu treiben, denn ausschalten konnten das Gerät dann beide lange nicht.

MEIN SCHÖNSTES LESEERLEBNIS
    oder Eschweger Kiwikrieg 1996
    Wer mit den Hähnen aus den Federn schlüpft, das Ruhrgebiet von West nach Ost durchjoggt und mit dem Joggen aber nicht mehr aufhört, lässt bald das imposante Dortmund hinter sich, durchhuscht im Fluge Soest, verdrückt in Büren eine Biomandelschnitte und entschließt sich dann, weil Kassel allzu kacke ist, nach Süden Richtung Fritzlar abzubiegen. Dort angelt er sich einen Hering aus der Fulda und erreicht am frühen Abend müde, aber wohlgelaunt die Fachwerksiedlung Eschwege, wo er dem Hering Lebewohl sagt und ihn in die Werra pfeffert. Von da aus krault das Fischchen weiter in die Heine, taucht hinter Verden in die Weser ab und erreicht am Jadebusen müde, aber wohlgelaunt die Nordsee – its home, its castle, hier leben die »Kollegen«!
    Schneller geht’s per Auto. Kaum sind wir, in diesem heißen Fußballsommer 1996, um elf Uhr morgens losgefahren, erreichen wir um eins Eschwege, zeigen unsere Künstlerkarten vor, stellen meinen Kadett auf dem Prominentenparkplatz ab und trotten in das riesige, innen auf rund fünfzig Grad erhitzte Bierzelt, in dem ab sechzehn Uhr das entscheidende EM -Vorrundenspiel Deutschland gegen Russland kommentieren dürfen: die nachwachsenden Satiriker Benjamin Schiffner, Jürgen Roth und Martin Sonneborn sowie der reife Profi und Stilist ich selbst. Und in Eschwege, da war damals gerade das alljährliche »Open Flair« mit Hippieflohmarkt, Rockbands, abertausend jungen Hüpfern aus den umliegenden Torfmooren, Mister Marla Glen und eben

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