Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

des BMW und drechselte den Kopf ins Seitenfenster:
    »Ich zähle bis drei. Eins.«
    Nichts geschah.
    »Zwei.«
    Nichts. Ein zäher Bursche.
    »Drei. Okay, Jungchen, du hast es nicht anders gewollt. Wie heißt du laut Geburtsurkunde?«
    »Sag’ich Ihnen nicht«, brummte der Gorilla und blieb still.
    Eine Zeitlang war ich hilflos, dann sprach ich sechs beinharte Sätze. Der erste lautete: »Ich könnte mir ja deine Autonummer aufschreiben oder zumindestens merken und beim Straßenverkehrsamtsdirektor den Namen des Fahrzeughalters anfordern.«
    »Stimmt. Ojemine!« Die Ratte wurde bleich. »Und dann?«
    »Dann würde ich … alles erzählen. Wer du bist, dass dein Auto hier blöd rumgestanden hat und so.«
    »Um Himmels willen, nur das nicht!« Jetzt kroch er fast in seinen Airbag. »Und wem würden Sie alles erzählen?«
    »Na, zum Beispiel deiner Mama. Und weißt du, was es dann hageln tut? Weißt du das eigentlich?!«
    »Nein, bitte! Bloß kein Stubenarrest! Ich setze auch sofort zurück!«
    Und das, liebe Kinder, tat er dann auch. Und damit endet unser kleines Storyboard. Jetzt aber husch in die Biergärten!

AUS DEM NOTIZBLOCK VII
    Genesis
    »Eine Zehnmillionstel Billionstel Billionstel Billionstel (10 -43 ) Sekunde nach dem Urknall – das ist der früheste Moment, über den wir sinnvoll reden können – war das gesamte Universum, das wir heute kennen, in einem winzigen Bruchteil der Größe eines Protons konzentriert. Eine Zehnmilliardstel Billionstel Billionstel Sekunde (10 -34 ) nach der Schöpfung hatte die Inflation das Universum auf das Millionen Billionen Billionenfache ausgedehnt, und die Temperatur war auf unter eine Milliarde Milliarden Milliarden (10 27 ) Grad gesunken« (Smoot/Davidson: Das Echo der Zeit ).
    Den Urknall haben hörbar Smoot und Davidson. Weil sie freilich selbst nicht glauben, dass es draußen einmal derart klein und heiß war, pullern sie mit Renommee-Nullen herum. Und überhaupt: Je tiefer ich mich in die neuere Astrophysik buddele, desto öfter stoße ich auf Belege für meine eigene, sogar die bi blische an Schlicht- und Einfachheit um Längen überragende Schöpfungsvariante. In nuce geht es, mehr will ich noch nicht petzen, um ein – handwarmes Nanofädchen (lärchengrün), das vor circa siebenhundert bis siebenhundertvierzig Jahren in Toronto (Kanada) vom Himmel schneite und von da aus praktisch alles äh … machte und erschuf. Ganz ehrlich. Genaueres verbirgt sich aber noch. Bald mehr?
    Lieblingsglosse
    Neulich donnerte ein Asteroid mit dem Namen 2001 YB 5 und dem Durchmesser von dreihundert Metern doch recht knapp an uns vorbei und weiter Richtung Pferdekopfnebel oder wo; eine Kollision mit der Erde wäre weder zu verhindern gewesen noch, so belehrte mich tags drauf ein astrophilosophisch scheint’s versierter Welt -Reporter, auch nur im mindesten tragisch, nicht einmal unangenehm, sondern im Gegenteil: »Asteroiden sind Leben. Vor rund vier Milliarden Jahren kamen die Grundbausteine für alles, was heute auf Erden kreucht und fleucht, aller Wahrscheinlichkeit nach auf einem himmlischen Geschoss herunter. […] Auch heute noch finden Exobiologen in Asteroiden Zuckersubstanzen und anderes, aus dem sich DNA und Eiweiße entwickeln könnten. Allein siebzig Aminosäuren vermochte man nachzuweisen – Fundamente des Lebens. Und da wollen wir mit Atombomben dazwischenfahren? Was, wenn entwickeltes Leben sich darauf befindet?«
    Die Artikelüberschrift lautet: »Die kreative Katastrophe. Asteroid verfehlte die Erde knapp. Ein Treffer hätte ganz neues Leben geschaffen« – und je bunter ich mir Letzteres ausmale, desto mehr gefällt’s mir: Getroffene Terristen, auf etwa Nanohöhe gestutzt, verbinden sich mit asteroiden Flachstbazillen und -substanzen zu einem wahrhaft kreatürlichen Matsch, ein bisschen unappetitlich vielleicht und gleichwohl Keim einer neuen, einer besseren Welt; weil einer besseren Welt gleich mit?
    Ach nein, lieber doch nicht.

MORD IN DER »RUE MORGUE«
    Seit drei Stunden hing »Detektei Gsella« an der Hauswand, ein schweres, schwarz-goldenes Keramikschild, das was hermachte, und mir blieb nichts zu tun, als eine Benson nach der anderen in die kochend heiße Luft zu blasen und auf den ersten Kunden zu warten. Der Ventilator drehte sich das Fett aus den Kugellagern, trotzdem lief mir die Brühe den Rücken hinunter; so mussten sich Katzen fühlen, wenn irgendwelche psychotischen Sadisten sie in der Wanne ertränkten.
    Ich schwang die Füße vom Tisch