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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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und zog den Bourbon aus der Schublade. Die Sprechanlage knackte.
    »Mr. Gsella?«
    »Yeah.«
    »Eine Miss Klopowski.«
    Die Sekretärin hatte ich in einer Bar am Hafen aufgegabelt, eine süße blonde Mieze mit mehr Figur als Grips, und tippen konnte sie auch. Wenn Sie »Mr.« sagte, war es wie Fellatio.
    »Soll reinkommen.«
    Ich hatte schon viele Frauen über Flure gehen hören, aber so eine noch nie. Wenn diese Frau hielt, was ihr lasziver, fast schlurfender Gang versprach, dann war sie eine Königin, eine von denen, die wissen, dass sie Königin sind. Den Bourbon setzte ich erst ab, als die Türklinke runterging. Dann stand ich auf und trat ihr entgegen.
    »Herr Gsella, helfen Sie mir!«
    »Reden Sie keinen Unsinn«, sagte ich und gab ihr die Hand. Ihr Griff war fest und kurz, wie der von Frauen, die sich über ihre Leidenschaften im Klaren sind. Händchenhalten gehörte hier nicht unbedingt dazu. »Und hallo erst mal.«
    »Jaja, Tach!«
    Sie war umwerfend; eine frappante Aufforderung, Babies zu machen. Große graue Augen, eine an der Spitze leicht speckige Stupsnase und Lippen, die dazu geschaffen waren, einen Mann zu verschlucken. »Solche wie Sie«, sagte ich, »helfen sich am besten selber. Und wenn Ihr Ferrari weg ist, sind Sie bei den Bullen besser aufgehoben.«
    Wortlos sah sie sich um. Ich schob ihr einen Stuhl hin, lehnte mich rücklings an den Schreibtisch und fingerte eine Benson aus der Schachtel. »Bourbon?«
    »Hä?! Herr Gsella, Sie … müssen ihn totmachen!« Ihre graublonden, an den Schläfen lose hängenden Haare waren obendrauf zu einem umfänglichen Dutt verpackt; von der Stirn hingen ein paar Strähnen leger über der gelbgrün gesprenkelten Hornbrille. Ihre Hand zitterte, als sie sich zwei himmelblaue Kugeln Kaugummi in den Rachen schob.
    »Ja, totmachen! Am besten sofort jetzt!«
    Mit ihren karierten Hauslatschen trampelte sie auf den Boden. Nun schienen mir auch die Lippen eher dürr und verloren im Kampf gegen den dickborstigen Oberlippenbart. »Sie kommen mit, ich zeige drauf, und Sie ballern ihn um, bumm!«
    »Hören Sie, Lady, Sie verwechseln da was. Ich kläre Morde. Begehen müssen sie schon andere.«
    Sie öffnete den braunen Filzmantel und ruckelte an ihrem zitronenfarbenen Frotteekostüm. Der mittlere Knopf sprang weg. »Sie kriegen auch 15 Euro – brutto!«
    »Werfen Sie immer so mit Geld rum?«
    »Mr. Gsella?« Schon wieder die Sprechanlage.
    »Yeah.«
    »Ein Herbert Klopowski.«
    »Soll reinkommen. Ma’am,« sagte ich und goss mir Bourbon nach, »fürchte, Ihr Arsch ist im Anmann, äh quatsch, Ihr –«
    »Hääh? Wie?!«
    »Ihr Mann ist im Anmarsch.«
    Mit einem fiepsigen Schrei sprang sie auf.
    »Herbert?!«
    »Else?!«
    Die beiden standen sich gegenüber, ihre Kiefer machten mümmelnde Bewegungen. Der Mann war ohne Zweifel ein Politischer. Auf seinem Oberhemd, dessen graue Grundtönung von grellbunten Tupfern aufgepeppt war, prangte in großen Lettern das Parteiabzeichen der Freien Demokraten. Das Hemd war sehr lang, zu lang für ein Hemd, mehr wie ein Kittel. Es war ein Kittel, und auf seiner Brust stand der Vers »Tisch oder Bänke, eckig oder rund – mit Klopowski wird alles schön bunt«.
    »Tachchen«, sagte der Mann. »Herbert Klopowski, Lacke und Farben, von gegenüber. Hier haben Sie drei Euro. Und jetzt erschießen Sie die Olle da.«
    »Hören Sie, ich –«
    »Arschkopp!«, bellte die Lady. »Ich war ja wohl zuerst hier! Nun ballern Sie schon!«
    Wenn Eheleute meinten, dass ein Schlusspunkt nötig sei, war das ihr Bier. Ich schnappte mir Hut und Mantel, lächelte der Tippse zu und stand wenige Sekunden später auf der Straße – jener Straße, die ich in meinen privaten Überlegungen in »Rue Morgue« umgetauft hatte. Erst im Taxi wurde mir klar, dass mein Maschinengewehr noch im Büro lag. Ich stieß den Fahrer an. »Folgen Sie dem Wagen da.«
    Mit quietschenden Reifen fuhr er los und stoppte wieder.
    »Welchem Wagen?«, fragte er. Irgendwo fielen neununddreißig Schüsse. »Ich sehe keinen.«
    Der Fahrer hatte recht, die Straße war leer. »Wir warten, bis ein Auto kommt«, entschied ich und zog an meiner Bourbon. Sie schmeckte verdächtig nach Whiskey. Ich schmiss sie aus dem Fenster, und es machte klirr.
    »Können Sie Ihre Kippen nicht woanders hinschmeißen?«, nölte eine vorbeigehende Omi. »Überall Scherben! Und die Hunde treten dann drauf!«
    Mir wurde schwindelig. »Und wie heißen Sie?«, fragte ich.
    Der Fahrer drehte sich um. »Wie werden sie

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