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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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schon heißen? Bello, Axel, Schnippi … kommt ganz auf den Geschmack des Halters an.«
    Jetzt war aber Schluss. Ich presste ihm meinen Mittelfinger an den Hals und fauchte: »Haben Sie schon mal jemanden gemordet und sind nicht gefangen worden? Gestehen Sie, oder ich drücke ab.«
    Statt einer Antwort kotzte er mir den Ärmel voll. Logisch. Ich hatte ihm den Finger in den Hals gesteckt – statt an. Er hätte es für eine Pistole halten sollen. Aber so hatte er den Finger schnell erkannt, und ihm war schlecht geworden.
    Als ich Minuten später mein Büro aufschloss, stolperte ich über zwei Personen. Es waren die Klopowskis; meine Sekretärin hatte die neununddreißig Schüsse leider nicht gehört. Resigniert griff ich zum Telefon. »Detektei Gsella, den Sergeant bitte.«
    »Pizza-Service Nord. Was wünschen Sie?«
    »Schicken Sie einen Wagen vorbei. Aber einen gebrauchten; zwei Jahre TÜV , nicht über dreifünf.«
    »Wir sind in zehn Minuten da. Haben Sie den Salat?«
    »Und ob ich den habe«, knurrte ich, deckte den Tisch und knallte den Hörer auf die Gabel. Zwei Zacken knickten ab. So ein Mist. Die Sprechanlage knackte. »Mr. Gsella?«
    »Yeah.«
    »Ein fliegender Besteckhändler.«
    »Soll reinsegeln.«
    Draußen wurde es langsam wieder hell.

AUS DEM NOTIZBLOCK VIII

    Zunächst indizierten drei Freudsche Verprecher an nur einem Tag ein trotz aller körperlichen »Alterung« fideles Sexleben plus geistigen Totalschwund oder mindestens Niveausturz; aber hören Sie selbst:
    a.) gegen 9.20 Uhr zu meiner Frau statt des gemeinten »Gestern waren wir früh im Bett«: »Früher waren wir gut im Bett«; was ja zusätzlich komplett übertrieben ist, haha …
    b.) gegen 13.40 Uhr zu meiner Frau: »Und zum Nachtisch gibt’s noch lecker Eis von Mösenpick.«
    c.) siebzehn Uhr zwanzig zu meiner Frau, nachdem der Macchiato-Schaum trotz neuer Bosch de Luxe so mittel geworden war: »Wahrscheinlich ist die Milchdrüse kaputt.« –
    Aus dieser Liga also. Und mithin mehr als tröstlich, dass ich beim marxistisch-ideologisch ja sonst eher kniffeligen Silvester-Bleigießen bereits im ersten Durchgang eine Traumfigur hinlegte (s.l.), deren Schönheit aus blendender Anmut, zartestem Zauber und doch schlagender Stringenz mich betäubend beglückte: in der Senkrechten ein respektheischender, keulenhaft fester Stiel, ein Griff für eine starke Hand, Symbol von Energie, Kraft und Beständigkeit – und in der Waagerechten, jene Interpretation ins Unabweisliche veredelnd, dieser wie wippend fragile und doch eisern unbrüchliche, fast schneidig scharfe Lebensbogen, ausgreifend in ferne und fernste Zukunft, lang dauerndes Sein, ja Ewigkeit ad infinitum et sancto. Kein Zweifel: Ich werde wohl tatsächlich alt.

ASIATISCHE NÄCHTE
    Ein andermal ging ich in ein Flugzeug, postierte mich ans Bullauge und stieg in die Luft. Nach einigen Tagen veränderte sich die Landschaft. Überall waren plötzlich Palmen, Affenbrotbäume, Antilopen und Kaiser, kurz: Wir befanden uns über dem geheimnisvollen Reich der Mitte. Schnell bat ich den Piloten, mich hier aussteigen zu lassen. Aber das hätte ich besser nicht getan. Schon beim Flugzeugmittagessen war mir nämlich aufgefallen, dass mich eine seltsame Gestalt beständig anguckte, und nach meiner Bitte schien sie noch viel stärker von mir fasziniert.
    Für menschliche Verhältnisse war sie allerdings zu klein; auch hatte sie anstelle der Augen oval-opake, fast konkave Adduktoren, regelrechte Schlitze, und ihre Stimme war die eines Kolibris. Ich schlug in meinem Reiseminibrockhaus nach und erfuhr, dass es eine Chinesin sein konnte. Bestimmt, so dachte ich, wohnt sie hier unten drunter! Da ich Abiturient bin und Chinesisch kann, sagte ich »En hau«, das bedeutet Hallo, denn En bedeutet Hal und hau lo. Auch sie sagte »En hau«, und ein Gespräch begann.
    Zuerst war alles sehr gemütlich und erotisch, aber dann piepste die Chinesin: »Hun sho weng?«, das bedeutet: »Junger Mann, verfügen Sie über ein wenig Stahl und Ausdauer, vor allem in den Beinmuskeln?« Als ich bejahte, kam sie auf meinen Nebenplatz gekrabbelt und hakte sich bei mir ein. Kurz darauf landete der Pilot in Peking, und gemeinsam trippelten wir aus dem Flugzeug.
    Kaum steckten wir im Stadtgewimmel, sagte sie: »Ping pong«, das bedeutet: »Ich heiße Mei Li. Da hinten an der Rikscha steht mein Onkel Su. Siehst du ihn? Huhu, Onkel, komm mal her, wir haben einen Fahrer. Einen Europäer!«
    Flugs kam ein Greis geschlurft. Mit beiden

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