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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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fluktuierende Kaschmir-Atome, göttergleiche Engelchen aus Odem, Luft und Präsubstanzoxiden, episkopalische Korpuskeln aus dem großen, nie enden wollenden Reservoir globalirdischer Luftexistenz, yeah.
    Viel mischt sich unter dieses Feeling, unter anderem Genugtuung darüber, dass man den Winter überstanden hat und nun jene Jahreszeit auf dem Programm des Schöpfers steht, die seit Äonen nach dem Winter kömmt: der – Frühling! Das Fahrrad packt man aus an solchen Tagen, lässt sich zur Arbeit rollen und pfeift ein Melodiechen. Flötflöt geht es, flötflöt und hollahi, man grüßt die Bäume, schäkert mit blühenden Büschen, hat ein Lächeln für den pickeligen Maklersohn von nebenan und wünscht den Schwalben Glück, wenn sie, Sternschnuppen des Tages, pfeilschnell durch die Häuserschluchten flirren, dabei erste kleine Fliegenkinder fangen und verdrücken.
    Aber abrupt musste ich bremsen. Am Beginn einer Sackgasse standen sich zwei Autos gegenüber, Schnauze an Schnauze, freilich leicht versetzt, und weil die Sackgasse sehr schmal war und auch die Bürgersteige zugeparkt, kam ich nicht dran vorbei auf meinem rostig schlotterigen Mistfahrrad. Sondern war zwischen beider Motorhauben eingezwängt und hatte den Salat: zwei Stimmen aus zwei Autos, die Stimmen der Fahrer.
    »Ich bitte Sie, was soll das denn?«
    »Machen Sie Platz! Na los, weg da!«
    Die erste Stimme weiblich und gefasst, die zweite männlich und vorm Überdrehen. Ich saß auf dem Rad, den rechten Fuß am Boden, und freute mich am Anblick jener wunderschönen etwa vierzigjährigen Frau, deren linker angewinkelter Arm aus dem geöffneten Seitenfenster ragte. Ihre Hand hielt eine Zigarette. Unter einem keck lindgrünen Stirnband kuckten Wuschelhaare raus, den Rest hab ich vergessen.
    Nun sah die Frau mich auch.
    »Soll ich etwa zweihundert Meter zurückrollen? Wenn der Trottel nur ein Stückchen rückwärts fährt, passe ich vorbei.«
    »Von wegen! Nix da! Sie haben mich doch kommen sehen! Sie müssen zurückfahren!«
    »Aber es wäre für Sie doch viel kürzer.«
    »Äähh, nix da! Ich bleibe hier!«
    Langsam kurvte seelenruhig eine kleine Wolke durch die Luft, tupfte runde Wanderschatten auf die Problemsackgasse und zerfiel urplötzlich mäuschenstill, als wär’ ihr eingefallen, dass heute blauer Himmel war. Prüfend fühlte ein moosgrünes Käferchen an meinem linken Schuh herum, zog einverstanden die Antennen ein, bestieg den Schlappen aufgeräumt und rutschte wieder runter. Ich drehte den Kopf nach hinten und nickte dem Mann in seinem BMW zu. Viel spiegelte sich in der gewienert glatten Frontscheibe, doch war ein breitkinniger, kaum zwanzig Jahre alter Seelensack sofort erkennbar; ein auch seitens Gott konzeptionell zum Streicheln freigegebenes Jungbörsianerferkelchen mit Schirm, Charme und jenen süßen Erfolgsstirnknitterfältchen, die diese Jungwildsäue immer tragen, wenn sie bei ihren Schweinereien wieder mal die Hauer vorne hatten – ein dezidierter Spitzensaukopf also, und es stimmt ja traurig, dass diese Kakerlaken wirklich immer grad so rattenblöd sind, wie sie ausschauen, da macht auch meine Sitcom keine Ausnahme; so ein Mistkäfer hockte halt in seinem vorgeschriebenen Doof- BMW 53 0000 und baute stur den Dreck, den man von ihm erwartet, rief:
    »Ich hab Zeit!«
    Und stellte, das fötenblöde Meerschweinchen, den Motor aus.
    Stille. Entfernt floss Stadtverkehr, sein Rauschen verebbte im Bewuchs eines ans Gässchen grenzenden Kinderspielplatzes. Nah zig Grillen zirpten. Auch eine Hummel brummte an meinem Kopf vorbei in Richtung Schaukel, guckte sich den Spielplatz an, zickzack zurück zum Spielplatzrandgestrüpp, hielt dann auf federnd weiße Osterglöckchen zu und tauchte in die Blüten. Kam staubbekleckert pappsatt wieder raus, schwebte auf ein sandiges Stück Wiese nieder und ging ein bisschen spazieren. Sonnenschein fiel gelb auf ihre Panzerstreifen, da blieb sie einfach stehen, streckte ihre Füßchen aus und flüsterte:
    »Jetzt tu ich erst mal gar nichts.«
    »Bitte, können denn Sie den Mann nicht überreden?« Flehend riss die Frau mich von der Wonnehummel. »Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll mit diesem – Rucksack!«
    Da, plötzlich, wollte ich nicht mehr. Wollte diesen lichten Morgen nicht verdunkelt kriegen von einem frühverschorften Dollarmolch und Lumpenhals. Ich stieg ab, stellte mein Fahrrad auf den Ständer, rumms, fiel’s desaströse Scheißding um. Gekonnt marschierte ich zur Fahrertür

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