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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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auf neuntausend und avisierte fürs erste schon mal Peking. »Die chinesischen Boom-Provinzen. Handwerker im Kaiserpalast. Oder wenigstens Honolulu« – wurde indes schon am frühen Abend von einem neuartigen Projekt schier übermannt und hingerissen: nämlich jetzt sofort einen Liter Weißweinschorle in zwei leere Licherflaschen zu füllen, von da aus in ein anerkanntes Bierglas – und alles auszutrinken.
    Als es funktionierte, war G. den Tränen nah. Das Gefühl, schluchzte er in sich hinein und mixte alles gleich noch einmal, das Gefühl stimmte wieder. Endlich war die Optik wieder top. Top bis auf 1) Farbe, 2) Krone; aber beides, kam G. schnell auf die rettende Idee, war ja mit einer Multivitamintablette zu beheben.
    Das Resultat allein, es schien durchmischt. Die Farbe mochte wohl ins passabel Gelbhellbraune zielen; die Krone aber blieb von ausgesuchter Flüchtigkeit, warf Blasen und, G. zählte mehrmals mit, verschwand nach zwei bis vier Sekunden, zu schnell sogar für einen Schnellaustrinker wie höchstselber ihn! Erst als G., nach einer Viertelstunde tabulos freier Denkarbeit, mit aufgeschäumter heißer H-Milch ein viertes Bausteinelement hinzuzog und auf die Weißweinvitaminsaftschorle strich, war nicht lediglich der Abend, nicht nur die bevorstehende Weihnacht gerettet: Mit dieser Neuerfindung, sinnierte sanguinisch G. und sog die Brühe heilfroh ein, mit solch einem Patentpaket im Rücken ließ sich’s sogar im Lande bleiben. War China praktisch obsolet!
    Auch, lachte G. sinister auf und nahm Glas Nummer neun, wenn diese Suppe schmeckt wie frische Gülle, hoh.
    Biertrinko ergo sum
    (G./Descartes, im Mai 2009)

AUS DEM NOTIZBLOCK X
    (Ent)Warnung
    Wäre ich Racheengel oder wenigstens Mediziner und bedeutend misanthropischer als ich, also irgend so ein Herzkrüppel von verbitterter Nobelpreis-Virologe: Ei, was gäbe ich darum, eine neue und fürwahr schröckliche, ja höllische Krankheit zu entdecken und blitzschnell auf meinen Namen zu taufen – wobei Drittklassiges wie »Gsella-Welle in Berlin / Impfung zwecklos« mich naturgemäß weniger reizen würde als eins a Spiegel -Titelhämmer wie: »GSELLA – Ein Kontinent stirbt« oder Plakate namens »Gib GSELLA keine Chance« – lechz. Zum Glück hab ich aber weder Ahnung noch den entsprechenden und, eigentlich, hmhm … doch halbwegs kribbeligen Totalhau. Sodass alles beim Alten bleibt; zumindest vorerst.
    Vermutlich zu teuer
    Gemütskranke Phantasie während eines wiedermalig plötzlichen und dann selbstredend langwierigen Zughalts auf freier Strecke: vierzig Meter tiefe Gräben beidseits der Gleise, von einer hauchdünnen künstlichen Grasschicht verdeckt, in die die Herbstselbstmörder purzeln. Unbestreitbarer Vorteil: Alle Beteiligten erreichen ihr Ziel, die Reisenden gar halbwegs pünktlich. Nachteil siehe oben.
    Puh
    Glück im Unglück hatte ich neulich auf der Autobahn, wo ich mich mählich einem LKW näherte, auf dessen Heckplane in geschwungenen Buchstaben zu lesen stand: »Wir wünschen Ihnen einen guten Tag! Möbel Hausmann, Ihr freundlicher Möbelhändler.« Schön; und nicht auszudenken, es hätte sich um den Laster einer unfreundlichen Firma gehandelt mit der Botschaft: »Ficken Sie sich ins Knie, Sie Arschloch, Ihr missmutiges Sanitärhaus Müller.«

DAS EREIGNIS
    Wie Ferdinand Lassalle (Wikipedia) sagte, ist und bleibt die revolutionärste Tat, immer laut zu sagen, was ist. Ich sage laut: Kürzlich bin ich in einen Pornoladen rein. Natürlich aus beruflichen Gründen. Ich wollte mir eine Tüte voll Artikel kaufen und dann, als Entspannung nach dem Arbeitstag, fünf Stunden wichsen.
    Nein, stimmt nicht. In ehrlich verhielt es sich so, dass ich zu jener Zeit an einem Aufsatz zum Thema »Tabu« schrieb und umfängliche Recherchen mich um die halbe Welt getrieben hatten, zuletzt in einen Pornoladen aus der Uhse-Reihe. Kenner wissen, dass Türen dort verfemt sind; man hat Vorhänge aus langen bunten Plastikstreifen, die man wie eine Saloontür cowboyartig spalten muss, um hineinzukommen.
    Cowboyartig spaltete ich die Streifen und wurde von einer Ansammlung junger Frauen begrüßt, deren eine mir kurz zunickte. Ich sagte mit verstellter Stimme »Guten Tag« und steuerte behend auf eine Treppe zu, die nach oben führte. Dort klapperte ich das Angebot nach Erzeugnissen ab, auf denen »Tabu« stand. Ich fand aber nichts. Schnell hatte mich dann allerdings die Frau von unten wieder eingekriegt und fragte:
    »Kann ich helfen?«
    »Ja«, sagte

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