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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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uralte Mythen. Blablabla, blabla, und gerade als es öde wurde, kehrten die Kängurus zurück. Aber o Schreck: Ein Beutel sah von außen ganz durchgeweicht aus, und statt der elf Schnapsflaschen guckten nur vier raus. Brötchen gab’s auch keine!
    »Wo ist der Rest, verdammte Scheiße?«, schrie Maggie die Tiere an. »Und die Eier sind alle kaputt! Ich hab euch doch gesagt, ihr sollt zurück laufen . Aber nein, ihr musstet wieder hüpfen. Ab in die Baracke, vier Stunden Stubenarrest!« Die Beuteltiere trollten sich.
    Das war ja ein schönes Frühstück. Zu allem Übel torkelte dann plötzlich ein bisher nicht vorgekommener Mann vorbei, sah uns und fiel um. Wie gestern Bill. Ich fragte ihn: »Bist du auch Aborigi …?«
    »Nee.«
    Ja was denn nun? Ich werde es wohl nie erfahren.

AUS DEM NOTIZBLOCK XIII
    Kreta
    Frühmorgens in einer Taverne in Chania, nahe dem venezianischen Hafen. Rechts droht eine mächtige Kathedrale; zur Linken bereitet ein Stoß Bauarbeiter sich darauf vor, auf die Kirchplatzbodenplatten einzuschlagen. Öffnet sich das heilige Portal, und der diensthabende Hochwürden kommt herübergeweht, den Sinn der Proletenaktion zu erkunden. Tippt einem bierbäuchigen Flanellhemd auf die Schulter. Der Mann dreht sich herum und – knickt augenblicklich unter einem kaum mehr mittelschweren Schuld- und Demutsschub zusammen: Das Kreuz schlägt einen Buckel, das Kinn plumpst auf die Brust, bleischwer knallt ein schamzerstörter Blick zu Boden. Brabbelt der Mann die Arbeitsinstruktion also in Richtung Paterfuß heraus, haspelt und stammelt, streng lugt der Pater, dieweil der Schuft, der Hurenbock, immer reuiger, geradliniger, verwüsteter zu Boden sinkt –
    Jahwe sagt: Sündig ist der Mensch, und also im Schweiße seines Angesichts soll er sein Brot verdienen. Dumm mithin, wenn der Pfaff einen ausgerechnet beim Steinekloppen erwischt.
    Schrecklich
    Nur mal angenommen, Robinson Crusoe hätte auf der Insel nicht nur einen Diener gefunden, sondern sukzessive immer mehr, die er wegen Faulheit dann einfach durchnummeriert hätte; und gleichfalls nur mal angenommen, die so Benannten seien aus Versehen doch allesamt Kannibalen gewesen: ob dann der unglückliche »Freitag, der dreizehnte« sich wg. Unglücksprophylaxe letzten Endes selber – aufgegessen hätte? Abergläubisch, wie er war? Oder jedenfalls gewesen wäre?
    Verdienter Ruhm
    Ein andermal, zur Zeit der Perserkriege, war ein Spartaner mit dem eher ostwestfälisch klingenden Namen Heinz-Peter Wollengruber nach Rom gereist und hatte sich in den engen Gassen der antiken Weltstadt bald schon hoffnungslos verlaufen. Da aber kam Brutus des Weges, ein Römer seit Geburt, und Heinz-Peter nahm all sein Pidgin-Latein zusammen: »Können du mich bitte verraten«, fragte er, »wie ich finden Museumsviertel?«
    »Zweite rechts, dann geradeaus, dann wieder rechts«, verriet ihm der Römer, und während Heinz-Peter sich artig mit einer Sesterze bedankte, verfiel Brutus auf eine Idee …
    So stand er auch am nächsten Tag dort, wo er den Spartaner getroffen hatte, und wirklich: Irrend kam ein Karthager des Weges, sah den Brutus und frug, fast schon fließend: »Kannst du mir verraten, wie ich zur Stadthafen komme?«
    »Mit der 17 zum Hauptbahnhof, dann in die U-Bahn Richtung Kreuzigungs-Allee, die endet im Hafen«, verriet Brutus mit freundlicher Miene, steckte die Sesterze in seine Toga, und wie man sich denken kann, verriet er auch am nächsten, übernächsten, ja an jedem noch folgenden Tage seines Lebens den Fremden den Weg und ging, der aufmerksame Leser ahnt es schon, als größter Verräter Roms in die Geschichte ein.

VERSCHOLLEN AM GARAJONAY
    Achtung, Achtung! Tausche Kühlschrank gegen Käseglocke.
    Tel.: 0201 / 53698, ab 18.00 Uhr.
    Diese Annonce war zum Ende des letzten Jahres in mehreren großen Tageszeitungen des Rhein-Ruhr-Gebietes zu lesen. Kurz und unscheinbar, markierte sie doch das tragische Finale einer Krankheitsgeschichte, die, blickt man auf die Stadien der Symptombildung zurück, mit einer unerbittlichen und verheerenden Zwangsläufigkeit sich entwickelte. Ungewöhnlich, weil ebenfalls sehr kurz, auch die zeitliche Spanne zwischen dem ersten Auftreten bedrohlicher Anzeichen und endogenen Schüben einerseits, diesen Schüben und schließlicher Kompaktauswechselung der Persönlichkeit andererseits: Gerade fünf Monate lagen zwischen jenem Maiabend, an dem ich meinen alten Freund Hubert S. zum Düsseldorfer Flughafen chauffierte, und jenem Tag,

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