Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I
Hand
Dass ich nun werfe
Werfe Den Lehm
Werf meine Schatten
Und – wehe!
Mein Schatten
Schattenschwarz
Wie der Schatten
Von Herrn Schwarz«
AUS DEM NOTIZBLOCK XII
Uferwunder
Zum Abend erfuhr G. vom neuerlichen Tod einer Flüchtlingsfamilie. Man fand die Iraner erstickt in einem Container des Duisburger Hafens, so Buhrow. G. musste handeln. Müde und frierend, aber doch gestreckt stand er im ersten Morgendämmer am Ufer des Starnberger Sees, holte Kerze und Feuerzeug aus seinem schweren Mantel, entzündete den Docht und hielt den flimmernden Schimmer ins neblige Nichts. Menschlichen Umgang pflegte er, der eines Tages zugezogen war, seit je nicht mehr und hatte ihn wohl nie gepflegt, dachte G., fürchtete einen Moment lang, Regen könne einsetzen und die Kerze verlöschen, dann sah er es.
Zwei Schritte entfernt, eine Handbreit über taunassen Gräsern, tanzte ein Glühwurm. Regungslos verharrte G. Zitternd flog das Würmchen herbei, später ein zweites. G. atmete nicht. Unendlich langsam ging er in die Knie. Seht her, auch dies ein Kerzelein, gesellt euch zu ihm –
Es geschah. Zur Linken der Kerze blieb ein Wurm in der Schwebe; rechts, im fast selben Abstand, der zweite. Dies ist eine Lichterkette, dachte G., ich habe Freunde.
Erziehung zur Freiheit
Kinder müssen reichlich matschen und panschen, dann sind sie später nicht anal oder so was. Darum lassen wir unsere kleine Tochter immer mal wieder völlig frei herumaasen und zum lustigen »Kochspiel« in eine Plastikwanne kippen, was ihr gerade in den Sinn und unter die Finger kommt. Kürzlich waren es 2 Liter Wasser, 2 Teelöffel Sand, 3 geriebene Möhren, 2 geriebene Malkreiden, 4 Apfelschnitzchen, 6 Stücke Schokolade, 1 Banane (geschält), 3 Handvoll Erdnüsse (ungeschält), je 1 halbes Glas Pfeffer, Salz, Mehl, Zucker und Sahne, 7 Schlücke Öl, Essig und »Kitzelwasser« (Mineralwasser), ein bisschen Vorgartengras, Muttererde u. v. a., und nach Ende der Zubereitung setzte sich das kleine Menschlein hin und stampfte quiekend, matschte und panschte den blasrigen Schlabber zu einem sumpfbraunen »Geburtstagskuchen« zusammen, dass es eine Freude war! Ihr jedenfalls; uns wurde wie üblich ein bisschen schlecht, als wir dann »probieren« und »hm, lecker« sagen mussten, aber mundgerecht erwärmt und gut durchgezogen hat’s uns drei Tage ganz prima ernährt.
Vierfachverleser
Neulich las ich auf einem von meiner Tochter (4) bekritzelten Blatt: »Unter Anthropologen weiterhin strittig, ob und inwieweit das Erbgut des Talendernegers Eingang ins genetische Material des Homo sapiens sapiens fand.«
Es kam heraus: Es hieß »Neandertalers« und war selbstredend nicht auf ihrem Mist gewachsen, sie hatte bloß exzerpiert – so dachte ich!
Dann die Ernüchterung: Das Blatt gehörte gar nicht meiner Tochter (4), sondern meiner vierten Frau (13).
Früher Sartre
Kürzlich im Frankfurter, nein: Aschaffenburger Hbf, Entschuldigung: Fußballstadion: ein Kind, zwei Jahre, drei Reihen unter mir und überwältigt von einer wie erstmals hellwach durchlebten Gasausscheidung: »Papa, ich … bin gefurzt!!« Lustig, aber: überhaupt nicht lustig. Denn sind wir’s nicht alle …?
Kindermund!
Sommer 2002, brütende Hitze. Ich mit Frau und Tochter (3) im Bochumer Tierpark. Wir schauen uns den Affenkäfig an, streicheln die kleinen Ziegen und Schafe, drücken uns am Seehundbecken die Nasen platt, bedauern den hospitalistischen Grizzly und erreichen den Spielplatz mit vorliegendem Kiosk. Meine Frau: »Rosa, willst du ein Eis?« Darauf Rosa: »Au ja!«
FRÜHSTÜCK AM TORRENS-SEE
An einem eisig kalten Wintermorgen bestieg ein kleiner Humorist die Viermast-Luxusbrigg von Quelle Traumreisen, verstaute seinen Seesack in der Ecke einer marmornen Kombüse, krabbelte behände wieder raus, pflanzte sich aufs Sonnendeck, ließ sich warme Jacken kommen, bestellte Milchkaffee mit Zucker und drehte sich eine Zigarette. Der Vorname des Humoristen fing mit T an, dann kamen h, l, k, r, v und x, T-h-o-m-a-s, und der Kompass zeigte auf Australien. Dort nämlich sollte er auf schnellstem Wege hingehen, mein kleiner Urlaubstörn.
China, Andalusien, Schweden waren bald umschifft, anschließend Richtung Kasachstan, vorbei an Cape Canaveral und Rügen, ruckzuck passierten wir die Fjorde Kanadas, 112 Grad Süd/Südwest. Nach weiteren drei Stunden, das Schiff lag prächtig unter Wind, die Warnung aus dem Ausguck: Quallen backbord! Schnell sprang der Maat zum Bugsprietmast,
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