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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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seitens der Yankees/Zionisten war, und derart meines Freundes Heribert Lenz Vermutung widerlegten, laut welcher die Welle von zwei herzhaft vögelnden Blauwalen ausgelöst wurde: Ich glaub’ trotzdem, es war beides.

. . . UND DIE ANDEREN

DER HAFTZETTEL VON DONNERSMARCK
    Es war eine gottverdammte Frühherbstkälte da draußen, aber noch hielten die Mauern der gründerzeitlichen Titanic -Redaktionsvilla den Sommer: Mit 22, 23 Grad herrschte optimale Betriebstemperatur. Swingendes Tastaturengeklapper sang, phrasiert vom synkopischen Klicken der Mäuse, den Oberton zum sonoren Timbre der in politische Diskussionen vertieften Textredakteure. Nur aus dem Layout- und Zeichner-Verschlag erscholl, wie so häufig, dröhnendes, bisweilen vulgäres Gelächter.
    In der Küche schäumte eine Praktikantin Milch auf und begab sich auf den Balkon, unter dem, auf einem kleinen Rasenstück, Rotkehlchen, Eichhörnchen und letzte Schmetterlinge friedlich stumm Siesta hielten. Nichts deutete zu jenem Zeitpunkt darauf hin, dass die kommenden Stunden das Frankfurter Satiremagazin, ja das politisch-kulturelle Deutschland bis in die Grundfesten erschüttern sollten.
    Dann der Anruf.
    Er erreichte die Zentrale und wurde von der Redaktionssekretärin Birgit Staniewski an den Chefredakteur weiterverbunden.
    »Gsella, Tita-haaaaah-haaah«; wie immer fühlte ich mich ein bisschen gähnend antriebsarm in diesen zähstofflichen Minuten, da der flirrend arbeitsame Morgen mählich in den stillen Nachmittag hinübertaumelte.
    »Tach! Hier Malizcowskij« oder Zalivnocs, der ausländische Anrufer nuschelte stark und ausgerechnet von diesem Dings, diesem Florian Henckel von Donnersmarck. Ich war das Thema und jenen Menschen freilich superleid an jenem Tag, die Boulevards und Feuilletons waren voll von ihm gewesen nach seinem Oscar-Zeugs in Amerika, wir hatten einen Essay, eine messerscharfe Polemik im Heft gehabt, das muss reichen, dachte ich und gähnte aus Versehen noch einmal … haaahh … hhaaaahh!
    »’tschuldigung.«
    »Hat ja bekanntlich Vorbild den Schwarzegger.« Es war eine greise und doch kraftvolle Stimme, ich hingegen brauchte Kaffee. »Wissen Sie aber bestimmt nicht, dass die Donnersmarcks eine Eisenhütte hatten früher nahe das Konzentrationslager …«
    »– Aha?«
    »Auch KZ -Insassen hat gearbeitet für Hütte, auch darum die Familie heute so reich. Einige Häftlinge und Zwangsarbeiter gestorben damals, und …«
    In Sekundenschnelle war ich wach. Dieser Oscar-Gewinnler und unbeugsame Antitotalitarist – ein KZ -Profiteur? Dessen Familienbande Zwangsarbeiter bis zum Tod ausbeutete, während sie in obszönen Luxus-Pools Schaumwein und Eselsmilch schlürfte, bis allen so richtig schön schlecht war? Zwar wusste ich nicht genau, was Hütten, speziell Eisenhütten sind und machen, ist Eisen doch laut Stefan Hawking ein selbstständiges Uratom, das in dunklen Flözen autonom heranreift, doch eines schien mir augenblicklich klar: Könnten wir, könnte die Titanic diesen Verdacht recherchieren, verifizieren, lancieren, was auch immer, dann wären diese Donnersmarcks ja dauerhaft im Arsch – und Titanic stracks in allen Buntnachrichten: »Wie das sonst eher lustige Magazin in seiner neuen, bis heute fünfhundert Millionen Mal verkauften Ausgabe glasklar beweist, verdankt diese ›ehrenwerte‹ Donnersmarck-Ostzonen-Sippe …« – hey ho.
    So zitternd wie blitzschnell notierte ich alles Nötige auf einem gelben Haftzettel, setzte die auf meinem Telefondisplay angezeigte Nummer darunter, dankte dem Informanten und versprach baldigen Rückruf. In zwei Stunden war Konferenz, und natürlich würden meine Herren Redakteure Augen machen, »Hörthört!« rufen und anerkennend durch die Zähne pfeifen, wenn ihnen der Chef diesen absoluten Polithammer eiskalt präsentierte.
    »Also bis gleich, Herr Maloczew… Herr Maldini …?«
    »Ja, viele Dank!«
    Zwei Stunden später saßen wir am legendären Konferenztisch der Titanic , und gewieft ließ ich die Herren zappeln. Lange Minuten suchten sie, vom Hammer nicht das Geringste ahnend, fleißig nach Themen für die nächste Ausgabe, Gesundheitsreform, der neue Gammelfleischskandal, SPD , der Bruder Herbst als solcher –
    Dann sprachen meine sprichwörtlichen Hosenträger.
    Laut knallend federten sie von meinen Daumenkuppen zurück aufs blendend weiße Oberhemd.
    Es wurde mucksmäuschenstill.
    »Bueno, meine Herren. Der Aufmacher ist im Sack: ein Anruf, vorhin, ausländisch, vermutlich ein

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