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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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Informant. Tenor: Dieser Oscar-Donnersmarck hat KZ -Häftlinge für sich schuften lassen.«
    Die Bombe war geplatzt.
    Erneut knallten die Hosenträger.
    Faktenguru Tietze fing sich als Erster: »Gsella, das …«
    »Haut dich um? Mich auch, Compañero.«
    »… das geht nicht. Der wurde 1973 geboren.«
    Und meine leichteste Übung heißt Souveränität.
    »Echt? – Hat der Kowalev, Kurani, der Anrufer aber gesagt!
    Für ein Außenlager des KZ s Augsburg … oder Amberg oder so. Tote gab’s wohl auch …«
    »KZ Amberg? Puh.«
    Anders als der schwer atmende Hintner warfen sich die Redakteure Nagel und Werner leichthändig Bälle zu:
    »Nein, was es nicht alles gab!«
    »Und war der Führerbunker nicht eher in Wetzlar?«
    »Wie viel verdient eigentlich so ein Chefredakteur?«
    Gute Fragen, doch die Zeit war knapp. Also heraus mit den Belegen.
    Mit einer triumphalen Geste griff ich in meine linke Hosentasche, in die ich vorhin den gelben Haftzettel gesteckt hatte. Als ich ihn dort nicht fand, löste ich die Konferenz für drei Minuten auf und stellte mein Chefzimmer inklusive Schreibtisch sukzessive auf den Kopf.
    Ergebnis: immer noch weg!
    Zum Glück habe ich ein gutes Gedächtnis. Blitzschnell schrieb ich auf, was ich wusste ( 9.9. 2005 2007 Anruf: KZ -Häftlinge für Donnersmarck. Name kompliziert, Tel ???? ), stopfte den Mist in den Schredder und trommelte das Dreamteam erneut zusammen:
    »Alle hergehört: Materie erhält sich. Also kann ein Haftzettel nicht weg sein, sondern muss weiterhin haften. Die Frage ist: wo? Wer ihn zuerst findet, darf den Leitessay schreiben: ›War Florian Henckel von Donnersmarck in der SS ?!‹ An die Arbeit!«
    Das ließen sich die Herren Autoren nicht zweimal sagen. Zielstrebig vergruben sie sich in herumliegenden Tageszeitungen und Fantasy-Romanen; erst das Wort »fristlose Massenentlassung« vermochte sie aufzuscheuchen. Und wie: Keine halbe Stunde später haftete, wie ich mich höchstpersönlich überzeugte, an jedem Monitor der Redaktion ein Haftzettel mit der Aufschrift »Gsellas Haftzettel suchen« oder, viel bündiger, »Haftzettel!!«, und tatsächlich blickten die Kyniker, kaum betrat ich unangemeldet ihren Redaktionsraum, wie suchend auf und unter ihrem Schreibtisch herum, tasteten Jacketttaschen ab oder guckten gar angestrengt aus dem Fenster – vergeblich. Um zweiundzwanzig Uhr ließ ich die Suche abbrechen und schickte die Jungens nach Hause.
    »Morgen früh halb acht Sonderkonferenz. Also ab in die Federn!«

    Die Jungens sahen am nächsten Morgen weißgott grau und müde aus und doch wie rosa Babies im Vergleich zu mir. Die ganze Nacht hatte ich den Haftzettel gesucht, mein Gedächtnis gepeitscht, am Ende gar die Kombi »Donnersmarck-KZ-Augsburg« gegooglet bzw. versuchsweise »-Würzburg«. Einträge beide Mal: 0.
    Sollten wir da wirklich einem Topgeheimnis auf der Spur sein?
    Auch Gärtner klang irgendwie heiß: »Was haben wir: einen namenlosen Informanten, der behauptet, der Schmonzettenheini oder, was zeitlich wahrscheinlicher ist, einer seiner Vorfahren habe an KZ -Häftlingen verdient …«
    »… indem er sie gemeinerweise Eisen machen ließ«, ergänzte ich. »Obwohl’s von ganz von alleine wächst.«
    Betreten blickten die Redakteure zu Boden – zu schrecklich war der Verdacht, ein betont adliger Anti-Stasi-Clan habe dieses bleischwere Element aus reiner Bosheit herstellen lassen. Und was tat, vor allem: was wusste Sprössling Florian?!
    »Wäre es denn nicht möglich«, fragte ich laut, »dass zum Beispiel das Gestell seines ersten Kinderwagens nachweislich aus diesem KZ -Eisen war? Adelige schmeißen ihren Luxus-Plunder doch nicht weg, sondern vererben ihn notariell …«
    »Möglich ist alles«, konzedierte nun endlich auch Zauderschrat Rürup. »Aber wir müssen es beweisen. Denn im Zweifel für den Angeklagten; und überhaupt ist der Hallodri ja immer noch auf freiem Fuß! Solange wir keine Belege haben, sprechen wir bloße Verdächtigungen aus.«
    »Von denen ja immer mächtig was hängenbleibt!«, warnte nun Moralistin Werner mit einem seltsam janusköpfig wackelnden Zeigefinger –
    »Eben darum: eine Gasse, eine Startbahn für die Wahrheit!«, rief ich und kratzte mich am rechten Oberschenkel. Irgendetwas juckte da. Ich griff in die rechte Hosentasche –
    boing! Täterä, dschingderassa klingeling: der Haftzetttel. Das Corpus pikanti! Der gerichtsnotorische Beweis! Total zusammengeknüllt, aber immer noch lesbar.
    Schweigend blickten wir uns

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