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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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Lamas Schoß: »Es heißt, Ihr seid vermögend. Are you?«
    »Well. Ich habe mehr Piepen als ihr alle zusammen«, schnarrte der Denker, »aber ist Geld denn wirklich wichtig?« Eilfertiges Kopfschütteln machte die Runde, aber da war man bei Nirwana am Falschen. »Ja selbstverständlich ist Geld wichtig. Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles« – triumphierend fuchtelte der Redner mit dem schwarz-rot-goldenen Konferenztischfähnchen – »fuck! Es ist unsere faktisch ausgerichtete Gesellschaft, die den Eindruck vermittelt, alles sei käuflich, Kaugummi, Brot, Tomaten, Spinat, Eier, Hartkäse, Weichkäse, Gummibärchen, Broccoli, habituelle Orientierungen und sexuelle Lust. Und bei Gott, diese Gesellschaft hat recht. Wie viel nehmen denn zum Beispiel Sie pro Nümmerchen, Herr …«
    »Nagel.«
    »–Nagel.«
    »Nagel, yes, Sir.« Der Name schrie halt nach Programm, doch fühlte sich der kaum Dreißigjährige erkennbar überschätzt in seiner Haut. »Oli Nagel, Germanist, Hetero, Internet-Redakteur …«
    »Lass gut sein, Schwuchtel«: Layouterin Martina Werner grätschte ins Geschehen. »Dalai möchte wissen, wie viel eine Ti tanic -Nummer kostet. Man ruft Sie doch Dalai? Und Ihre Ahnen waren – Spucktiere, hahaha?! Nix für ungut, Weiser …«
    »Und … und … und«, hörbar angefixt schliff Gsella an der Zweitpointe, »und in Ihrem ersten Leben waren Sie Dalai … Dackel … Na kommen Sie, das ist Religionskritik per Alliteration, das ist Neue Frankfurter Schule, NFS pur …«
    Der Diskurs, so blendend er begonnen hatte, er verstummte brüsk. Verlegen nippten die Adorno-Exegeten am Kaffee. Frau Eilert immerhin schien auf Herrn Lama eingeratzt zu sein, still schlummerte ihr Kopf auf breiter Brust.
    »Schlafen können wir nur«, sprach Buddha leise, »wenn wir unsere Augen schließen. Wer eines oder beide offen hält, wird nicht schlafen, sondern im Gegenteil wachen, hugh.«
    Längst schien indes der Kreis als Ganzer wegdämmern zu wollen, da geschah es: Der Zeichner Rürup zwirbelte absent am Multibart, Martin Sonneborn blätterte erfolg- wie kraftlos im Führer Die richtige Ansprache. Reden zu allen Gelegenheiten , und während der Reinkarnierte nach dem Verbleib Björn Engholms sich erkundigte, »ihr wisst schon, dieser smarte Gottschalk-Lutscher«, brach’s aus Tietze wie aus einer müden H-Milch:
    »Sag mal … chrrr … – kannst du einhändig drehen, Apostel?«
    »Drehen«, nahm der Überweltliche den Faden auf, »drehen kann der Wind von Ost nach West, von Süd nach Nord; kann sich der Plattenteller, sofern man ein Kabel in die Steckdose tut; tut sich das Rad der Geschichte, immerfort und immerzu; werde ich eine Runde durchs Puffviertel, sobald die Bild -Schecks eingetrudelt sind; und natürlich kann ich, dumme Frage, gib her.«
    Wahrlich: In Sekundenschnelle war das Hascherl rund und Sonneborn endlich fündig geworden. Der legendäre Chefredaktor stand auf, fixierte aus Versehen den Layout-Tyrann Tom Hintner und hub an:
    »Sehr geehrter Pensionär X, ich als ehemaliger Direktor des XY-Gymnasiums heiße Sie herzlich willkommen zum Treffen der Lehrkörpers 1956–58 (aktualisieren!). Bitte nehmen Sie Platz! Ich hoffe, Sie alle hatten eine guten Flug/eine angenehme Bahnfahrt/standen nicht im Stau. Aber nun – die Party/das Büffet ist eröffnet!«
    »Begrüßungen«, dankte Buddha, »haben in unsrer Welt der Oberflächlichkeit und Hektik kaum mehr Platz und sind doch wichtiger denn je. Kolportiert wird vom Propheten Buddha, er sei im Alter von vier Jahren an Masern erkrankt, doch dank seiner Konstitution habe er schon nach drei Wochen wieder fangen und verstecken können; schaukeln, Federball und rutschen schon nach zwei! Sie schreiben doch mit, Fräulein?« Blinzelnd reichte er der Glockenhell Stenoblock und Filzstift.
    »Geht’s auch leiser?«, hauchte die graduell erwachte Eilert, fand aber eine neue weiche Stelle auf Dalais Brust und schlief gleich wieder ein. Eifersüchtig luchste das Satire-Traumpaar Gärtner/Nagel. Seinerseits mit Adleraugen fing der Dalai Lama den Blick auf. »Eifersucht«, sprach er, »so verständlich sie sein mag, ist ein negatives, ein schädliches Gefühl. Der Eifersüchtige will etwas, das einem anderen gehört, das ist doch schon rein logisch Schifferscheiße. Alles Lebende hat seinen Platz, sein Recht, seine Möglichkeiten, aber man kann nicht alles haben, tscha, hey, reich mir mal den Duden, Brille.«
    Wie erbeten tat Gsella. Ein lauter Knall, und der auf

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