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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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an. Schlug nun die Stunde derer von Donnersmarck? Der baldigen »Hencker von Donnersmarck«?! Würden die Opfer endlich gesühnt? Musste Flori seinen Pokal zurückgeben? Und all diese faulen Gratulantenfrösche aus Presse und Politik: Würden auch sie in Schimpf und Schand’ demissionieren? Standen womöglich Neuwahlen an?
    Wir, die Titanic , hatten den Zeugen, hier, auf diesem gelben Haftzettel, und er hatte Name und Telefon. Ich las laut und gefasst:
    »Mazzeruckski oder was, Donnersmarck Eisenhütte, früher für Konzentrationslager in A … Tel 069 9705040. Ich rufe ihn gleich an«, sagte ich und sah Gesichter, wie ich sie niemals gesehen hatte, so entgeistert und doch so resigniert.
    »Prima«, flüsterte Rürup.
    »Wir bleiben lieber hier im Konferenzraum«, sprach das Duo Gärtner/Nagel.
    »Denn bei Frau Staniewski ist es immer noch am schönsten«, raunten tonlos Golz und Werner.
    O selig Fußvolks Narrenfreiheit; aber meinetwegen. Sekunden später wählte ich die Nummer. 069 9705040. Nur einmal tutete es, dann nahm der langgesuchte Kronzeuge ab:
    » Titanic -Redaktion, Staniewski.«
    »Hahaha! Hallo Birgit, Gsella hier, ich muss mich verwählt haben …«
    Tja, so war das. Der Rest ist Geschichte: Das antitotalitäre Dickerchen durfte seinen Oscar behalten, die hochwohlgeborene Fürstenfamilie alles andere, und der einzige, der werweiß letzte Zeuge schwieg und schweigt.
    So bleiben, außer wahrhaft hässlichen Gerüchten, allein diese seltsamen Stimmen aus dem Internet. Stimmen wie diese: »Forum Żydów Polskich: Konzentrationslager Auschwitz III, obej mujący pozostałe podobozy (Aussenlager). Praca w hucie ›Donnersmarck‹ przy produkcji uzbrojenia i amunicji. fzp.jewish.org. pl/zaglada16.html-31k«.
    Aber wer kann schon Spanisch.

    Naturgewalten
    Eines Tages aber geriet Rainer Calmund in einem Bergwanderungstraum in einen schlimmen Wirbelsturm, eine haargenau auf den Umfang seiner Außenhaut zugeschnittene Extremwindhose mit umgerechnet vier Milliarden Kilowattminuten Rüttel-, Zieh- und Zerrleistung, und in der Tat fühlte sich der Phantasierende durchaus ein wenig gerüttelt und fast geschüttelt, doch vom Boden hob sich das auch im Traumzustand recht bravgenährte Schlitzohr nicht einen Zentimeter, spürte Calmund, lachte wie ein Brüllaffe, wovon er dann erwachte, und siehe da: Es war gar kein Traum. Sondern, oder besser auch: Wirklichkeit. Unbestreitbar logierte der Fußballmanager im Zentrum eines mächtigen Realwirbels, aber Schlimmeres geschah ihm rundweg gar nichts.
    Befriedigt schlief er wieder ein.

DER DALAI LAMA BEI TITANIC
    Es war ein ganz gewöhnlicher Julitag, als es gegen zwölf Uhr an der Redaktionstür der Titanic klingelte. Im nächsten Moment war die Gewöhnlichkeit dann allerdings passé, denn wer in den Satire-Gral schwebte, war das sportliche Oberhaupt der Tibeter! »Kuchen hab ich aber keinen mehr«, verkündete der Kahle aus dem weisen Hochland, »den hat vorhin Kohler von der F.A.Z . gefressen. Außerdem ist Kuchen schlecht für die Zähne, und Schlechtes kann gut schmecken, aber niemals sein. Auf die Knie, Kyniker!«

    Sprachs – und ließ sich von keiner Seriöseren als der Praktikantin Glockenhell die Kutte küssen …
    I Zu Tisch
    Just so begann er, der mit Abstand gesegnetste 4. Juli aller Zeiten. Jasmintee wurde blitzschnell aufgesetzt, Flips und Ültjes flogen aufs kreisrunde Konferenztischmahagoni, und bald war uns allen doch ein bisschen mulmig, als die Wiedergeburt des Ur-Buddha sel. die Schenkel übereinanderschlug, den mirabelleduftenden Mönchsumhang ordnete und trotzdem oder gerade deshalb nicht verbergen konnte, dass man untendrunter nackig war – Schiesser Feinripp Fehlanzeige!
    »Gell, da staunt ihr«, hauchte der Good-Will-Tycoon auf Medien- und Spendentour und zwinkerte der Sekretärin B. Staniewski zu, die auch gleich ihre laszivsten Augen aufsetzte, »aber die Bunte will es so. Gesellschaftliche Konventionen hindern uns Postreligiöse ja häufig daran, das ureigenste Kernselbst zu erkennen und in Umlauf zu bringen. Geil ist was anderes. Aber wen haben wir denn da? Husch, komm zu Papa, Mäuschen!«
    »Gestatten, Eilert – Frau Eilert«, flüsterte die dergestalt Charmierte, fing sich aber wieder und feuerte gewieft retour. »Wir sind kein Kinderfanzine. Und ehrlich gesagt, auf Bildern sehen Sie attraktiver aus. Sie haben Bauch, Heiligkeit, burlesk viel Bauch, und Ihre Brille ist superscheiße.« Keine zwei Sekunden später hockte sie indes auf

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