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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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suchte das Weinglas. Weg war es. Aber Gott sei Dank – der Joint glühte noch.
    Hintüber plumpste der Karriereguru in den Sand und rauchte. Über ihm das Universum, der Andromedanebel, Pluto … aber konnte er, wollte er 2002 denn überhaupt schon König werden? Mit diesen Lackaffen von debilen Hosenscheißern sich um den blöden Thron kloppen? Und dann doch verlieren gegen Rotfront Schröder? Ha!
    Na gut, realisierte Stoiber und reiherte zum Spaß, zu Hause war er Superdepp und Haiderfreund, war praktisch notgedrungen Opa-Skin und Negergegner – aber hier? Hier auch!, schrie in Gedanken Stoiber und pfefferte ein kreischendes Mulattenbaby in die Wellen, die multikulturelle Gesellschaft, das ganze Rassendurcheinandermauseln war doch Obermist! So hatte er’s im Juli letzten Jahres der Bild gesteckt, und Grass, der Jude, hatte ihn mit Haider verglichen … Leitkultur?
    »Leitkultur«, öch! Die Merz- und Merkelbande produzierte wahrhaft einen defensiven Scheißdreck nach dem andern und schoss schlafwandelsicher Eigentore; und natürlich war es klug von ihm gewesen, seine eigene Kanzleraspiranz bis etwa Januar 2001 abzustreiten und dann von niederen Parteimoppeln wie Glos und Goppel ins Gefecht drücken zu lassen; Esel, lachte Stoiber und wusste plötzlich, an welchem Freitag anno 150.586 das Universum sich zu einem winzigen Letzteisenelektron verdünnisieren und verpuffen würde, Esel gab’s, zumal in Bayern, ja genug!
    Fröhlich stand er tapfer auf und trat ins Meer.
    Also doch erst 2006? Ach Gott. Wer garantierte ihm denn, dass er in fünf Jahren nicht plötzlich mausetot war? Oder gar in Einzelhaft? Vermutlich Alfred Sauter, erinnerte sich kraulend Stoiber und hatte nun allerdings den Eindruck, vorm Absprung in die Wellen habe er die Turnhose zwar ausgezogen, nicht jedoch den rappelvollen Citybag, vermutlich Sauter hatte nach seinem Rauswurf wegen der landeseigenen LWS -Immobilienaffaire und milliardenschwerer Verluste ihn, Stoiber, anonym angezeigt und ihm Verfassungsbruch vorgeworfen – »hallo, ich ertrinke«, schnaubte er nun mehrmals in den wackelnden Atlantik und fand dann endlich eine helfende Hand, »der Rucksack zieht mich runter, Hilfe!«, rief er nun leicht panisch und haute seinem Retter was aufs Maul, der seinerseits ins Strampeln fiel und mit seinen großen angstgeweiteten Augen plötzlich Merkel respektive Merz stark ähnelte.
    Es geschah wohl dank Affekt plus drogenhaft erweiterten Bewusstseins. Seelenruhig zog Stoiber den Bag aus, gab dem Schwimmer wortlos mehrmals in die Fresse und döppte ihn. Nach dreivier quirligen Minuten blieb der Nämliche verschwunden.
    Absolute Ruhe kehrte ein ins Meer und Stoiber. Spiegelsilbern lag das Wasser, Stoiber spielte toter Mann und atmete schlaftief.
    Er würde, nun wusste er’s, der neue Kanzler sein. Merz und Merkel derangierten sich ja selber, er musste gar nichts tun als warten bzw. diesen Fettsack Karlheinz Schreiber nun doch bald verschwinden lassen, sehr bald sogar, bevor die renitente Schieberschwuchtel sang und auspackte – »der Stoiber soll sich jetzt schon warm anziehen, bei dem, was ich gegen ihn habe«, hatte die Specksau im März 2000 feist herumgeprahlt, nach Kanada also ein Killerkommando – und dann mussten nur noch diese intriganten Brutusse und Youngstergecken rund um Ole Beust und Müller, Böhr und Wulff zurechtgestutzt und ins Glied zurückgehämmert werden …
    Stoiber reckte den Kopf ins Meer. Vier Meter unter ihm lag stumm der Ex-Tourist und setzte Algen an, scheu knabberte ein Katzenhai am Bag. Schade um die Hurzlmeier-Zeichnung, dachte er, tauchte langsam auf und ließ sich treiben. Um ein Haar mit reingerissen hätte ihn sein Ziehkind Stamm, die eben doch zu blöde Kuh von BSE -Ministerin – warm war jedoch der Ozean, meerblau und leicht schon abendschwer die Luft. Stoibers Hirn schlief mählich ein.
    Als es im Mondlicht erwachte, phosphoreszierten die Wellen. Gereinigt stieg Stoiber an Land. Die Vorstellung, Städte wie Berlin oder München könnten mit Nervengas aus Libyen oder Indien beschossen werden, ist längst keine Utopie mehr, rezitierte er seinen eventuell bildschönsten Einfall 2000 und triumphierte: Schon bald, ab Herbst 2002, würden seine, Stoibers, Globalerwägungen weltweit beachtet werden und im Fernsehen kommen.
    Die Puma-Turnhose lag am Strand. Stoiber schlüpfte hinein, schlenderte zur Pension Domingues und packte. Dann schmiss er Afrolook-Perücke und den falschen Ausweis in den Müll. Er war nun wieder

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