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Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I

Titel: Blau unter Schwarzen - Gesammelte Prosa I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gsella
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in die vierte zu verdrücken. Hingegen harrt Ralph Menke sen. von Menke Landwirtschaftsbedarf ganz bollerhart vorn aus. Mit fünfzigtausend Miesen schloss er das Geschäftsjahr ab, das kann unmöglich so weitergehen; Cordt-Urs von Thedel ist seine allerletzte Chance. Rechts neben dem geprüften Einzelhändler schiebt Wertheim-Einkaufsleiter Herbert Effelbach sich und seiner jungen Gattin Tic-Tacs in den Mund. Und dann die Überraschung: Schreiend kommt der motivation hero auf ihn zugesprungen, drückt ihn in die Stuhllehne, sägt ihm beide Knie in die Lenden und wickelt ihm die Cobra um den Hals.
    »Das ist dein Konkurrent, Herbert! Nehmen wir mal an, das Vieh wär’ praktisch Kaufhof! Du hast Angst vor ihr, nicht wahr! Du fühlst dich von ihr bedroht! Und gleich wirst du ›gebissen‹! Hubba, hubba, aua, aua! Du und dein Betrieb werden ›sterben‹! Tja, finito, alter Junge.«
    Effelbach sieht zu, wie »Kaufhof« unter seinem Schlips verknotet wird. Er atmet schwer. In Sekundenschnelle überschlägt die Gattin ihre Witwenrente.
    »Nun ja, wir …« Effelbach röchelt. »Wir relaunchen grad unsere Käsetheke. Die dänischen Blauschimmel sollen …«
    »Tschaballaka, du Westfalenköter, das ist doch wirklich Vogelscheiße!« Ein Assistent kommt angerannt, und blitzschnell hat der bedrängte Einkaufsleiter zusätzlich zwei Skorpione auf dem Bauch.
    »Mensch, Herbert, runter mit den Fesseln! Der Markt ist im Eimer, aber all is possible. Don’t give up, you are the king! Und wenn du diese Tierchen da noch lange krabbeln lässt, seh’ ich superschwarz.«
    »Um Himmels willen, Männe, tu was!« Die Gattin hat sich’s anders überlegt. »Ein Piekser, und die Maus ist aus.«
    »Du hast recht, beim Judas!«
    Und da geschieht das Unerwartete: Mit einem lauten Schrei springt Wertheim-Effelbach vom Stuhl, packt »Kaufhof« wie ein Schraubstock um den Hals, schlägt sich mit der Konkurrenz die zwei Skorpione runter und schleudert das Reptil mit Wucht auf Lotto-Udo.
    »Tschaballaka! Hubba olé!«
    Kein Zweifel: Effelbach hat es geschafft. Mit hochgerecktem Arm dreht er sich um die eigene Achse, dann nimmt er den von Thedel schluchzend in den Arm. Die übrigen Gäste stellen sich auf die Stühle, jubeln Herbert Effelbach mit gleichfalls hoch erhobener Faust entgegen. »You are the king!«, lobt ihn der Trainer. »You are verdammt noch mal the sunshine!« Der Assistent bringt Schnittchen, dann ist Pause.
    Die zweite Strecke beginnt mit einem Schlager aus dem Off. »Mit siebzehn hat man noch Träume«, kritisiert Bata Illic, doch er kommt nicht weit: Zum Schluss der ersten Strophe bricht der Trainer auf die Bühne, setzt ein Ziegenjunges auf Tapeten-Ölms und wäscht dem Jugo-Chansonnier den Kopf:
    »Mit siebzehn? Am Arsch, Träume hat man immer. Eine Führungspersönlichkeit ohne Vision / wird, was sie davon hat, merken schon; übrigens fällt das Löffelverbiegen aus. Ersatzweise geht’s über Kohle, über eine siedend heiße Eierkohlenscheiße, taschabakalla! Sie werden’s überleben – allein durch die Kraft Ihres Denkens. Attacke mental power! Also hopphopp jetzt, Schuhe aus, Socken aus, und vorgetreten.«
    Es wird ernst. Die Assistenten bringen einen qualmenden Kohlenbottich und schütten ihn der ersten Reihe vor die Füße. Karin Bartels von den Grünen will als Erste dran. Vor kurzem strich die SPD endgültig die versprochene Pflanzung zweier Tulpen vor dem Parkhaus, und Frau Bartels soll den offiziellen Ökopax-Protestbrief formulieren. Der Synergetic Action Power Day kommt ihr da gerade recht. Ihre Sohlen hat die alleinerziehende Mutter und gefürchtete Politstrategin mit Vereisungsspray betäubt.
    »Ich zähle bis drei, und ab durch die Mitte!« Schwitzend friemelt nun aber von Thedel seinen hyperteuren Schlips ab und zieht ihn Menke sen. einmal, zweimal durchs Gesicht, verhaut den überdefensiven Händler dann nach Strich und Faden. »Wehr dich, alter Jammerlappen! Nutze dein natürliches Potential! Und friss halt nicht so viel, du dicker Haufen! Neinnein, Spaß beiseite: Sie laufen nach der Grünen. Einverstanden?«
    »Jo, is’ gut.«
    Doch dazu kommt’s nicht mehr an diesem Soester Nachmittag: Kaum hat Karin Bartels ihre Pfunde auf die Glut gesetzt, piekst ihr so ein spitzes Kohlenstück tief in die Fußreflexzone. Aber macht nix: Im Saal fängt’s nämlich plötzlich an zu regnen – ja natürlich, die Sprinkleranlage! Innerhalb von zwei Minuten ist der hochgepriesene Kohlenhaufen aus, der ganze Thrill

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