Blau wie das Glück: Roman (German Edition)
Vorstoß irgendeine Revanche erwartet.
Es schien ihr unmöglich, dass Lilith eine solche Beleidigung einfach so hinnahm, ohne zurückzuschlagen.
»Vielleicht ist sie zu sehr mit ihrer bevorstehenden Abreise nach Geall beschäftigt.«
»Was?«
»Lilith.« Blair drehte sich wieder zu Glenna um. »Seit Tagen hört und sieht man nichts von ihr. Und Larkins Eindringen muss sie doch getroffen haben. Jesus, wenn du darüber nachdenkst, ein unbewaffneter Mann kommt nicht nur hinein, sondern befreit auch noch Gefangene. Das ist doch ein Schlag ins Gesicht.«
Glennas Augen glitzerten. »Ja, in jeder Hinsicht.«
»Aber anscheinend ist sie zu beschäftigt mit den Vorbereitungen für die Reise, als dass sie uns behelligt.«
»Ja, höchstwahrscheinlich.«
»Ich gehe jetzt mal in die Bibliothek. Wir müssen die Details für die Fallen ausarbeiten, die wir aufbauen wollen.«
»Macht das einen Unterschied?«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe über das Ganze nachgedacht. Was wir alles gemacht haben, was sie gemacht haben.« Glenna rieb sich oben über die Brust. »Zeit und Ort stehen fest, und nichts, was wir tun, ändert etwas daran.«
»Das hat Morrigan ja bei unserem letzten Plauderstündchen auch ganz deutlich gesagt. Aber was wir tun, wie wir mit der Situation umgehen, bestimmt die Tonlage für die Schlacht. Das hat sie ebenfalls gesagt. Hey, es ist nicht schlimm, nervös zu sein.«
»Gut.« Glenna räumte frisch gefüllte Fläschchen in ihren Heilkoffer. »Ich habe heute meine Eltern angerufen und ihnen gesagt, dass sie mich wahrscheinlich für ein paar Wochen nicht erreichen können. Ich habe erzählt, wie unglaublich toll alles sei, aber natürlich konnte ich ihnen
nicht die Wahrheit sagen. Sie wissen ja noch nicht einmal von Hoyt. Es wäre viel zu schwierig, es ihnen jetzt zu erklären.«
Sie klappte den Koffer zu und drehte sich um. »Es ist nicht so, dass ich keine Angst vor dem Tod hätte. Im Gegenteil, vielleicht sogar mehr als zu Anfang der Geschichte, weil ich jetzt mehr zu verlieren habe.«
»Hoyt und Glück bis an dein Lebensende.«
»Genau. Aber ich bin auf den Tod vorbereitet, wenn es denn sein muss, vielleicht auch mehr als zu Anfang, aus genau denselben Gründen.«
»Ja, die Liebe geht seltsame Wege.«
»Das kannst du laut sagen«, stimmte Glenna ihr zu. »Ich möchte nicht einen Moment ändern, seit ich ihm begegnet bin. Aber es ist trotzdem so schwierig, Blair. Ich habe keine Möglichkeit, meiner Familie zu erklären, was mit mir passiert ist, wenn ich das hier nicht überlebe. Sie werden es einfach nie erfahren. Und das lastet schwer auf mir.«
»Dann stirb doch einfach nicht.«
Glenna lachte. »Etwas Besseres fällt dir nicht ein?«
»Entschuldigung. Ich wollte darüber nicht scherzen.«
»Nein, ich finde es eher aufmunternd. Aber … wenn mir etwas passiert, würdest du das meiner Familie bringen?« Sie hielt ihr einen Umschlag hin. »Es ist wahrscheinlich zu viel verlangt«, begann sie, als Blair zögerte.
»Nein, aber … warum gerade ich?«
»Du und Cian, ihr habt die besten Chancen, die Schlacht zu überleben. Und Cian kann ich nicht darum bitten. Sie werden es selbst mit diesem Brief hier nicht verstehen, aber dann fragen sie sich wenigstens den Rest ihres Lebens nicht, ob ich noch lebe oder tot bin. Das will ich ihnen nicht antun.«
Blair studierte den Briefumschlag, den künstlerischen
Schwung der Handschrift, mit dem Namen und Adresse der Eltern geschrieben worden waren. »Ich habe schon zweimal versucht, meinen Vater per E-Mail zu erreichen, da ich gar nicht weiß, wo er ist. Er hat nicht geantwortet.«
»Oh, das tut mir leid. Er ist bestimmt irgendwo, wo man keine …«
»Nein, wahrscheinlich nicht. Er antwortet mir einfach nicht, das ist typisch für ihn. Und darüber muss ich endlich hinwegkommen. Es liegt noch nicht einmal daran, dass ihn das hier nicht interessiert. Großer Vampirkrieg – natürlich findet er das interessant. Und es täte ihm auch sicher leid, wenn ich dabei draufginge. Schließlich hat er mich trainiert, und in welchem Licht stünde er auf einmal da.«
»Das klingt aber hart.«
»Er ist hart.« Sie blickte in Glennas klare Augen. »Und er liebt mich nicht.«
»Oh, Blair.«
»Das muss ich endlich kapieren. Vergangenheit. Das hier ist etwa anderes.« Sie tippte auf den Brief. »Und es ist wichtig.«
»Ja«, stimmte Glenna ihr zu. »Aber es ist nicht meine einzige Familie.«
»Ja, verstehe. Wir sechs, nicht wahr? Das ist eine meiner wenigen
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