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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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über den Akt in der Badewanne muss an dieser Stelle auch ein offenes Wort erlaubt sein: In marktübliche Wannen passt man zu zweit sehr schlecht rein, irgendwas hängt immer raus, und noch dazu spült der Badeschaum sämtliche dem reibungslosen Geschlechtsverkehr dienlichen Körperflüssigkeiten fort.
    Den einzigen wirklich nützlichen Hinweis finde ich im «Sex-Guide für freche Frauen» auf Seite vier: «Wenn er Ihnen zahlreiche Küsse über das ganze Gesicht haucht, sollten Sie dabei die Augen schließen, denn sonst sieht er aus wie eine Riesenschabe, die über eine Kameralinse kriecht.»
    Ich beende meinen Ausflug in die Welt der Haute Cuisine der körperlichen Liebe abrupt, als mir im Buch «Sex-Tipps für ausgeschlafene Mädchen» folgender Rat ins Auge fällt, im Übrigen von Erdal dick unterstrichen: «Sie sollten mal panierte Zwiebelringe braten und über den erigierten Penis ihres Liebhabers werfen.» Und wenn du fünfmal triffst, gewinnst du einen Plüschbären? Meine Schamgrenze ist an dieser Stelle längst weit überschritten, und ich frage mich, wie ich Erdal demnächst beim Zwiebelschneiden unbefangen gegenübertreten soll, jetzt, wo ich diesen ständigen, quälenden Grundverdacht hege? Ja, selbst Bagels, Tintenfischringe und dänische Mürbeteigplätzchen in Kringelform haben in diesem Moment in meinen Augen für immer ihre Unschuld verloren.
    Ich beschließe, Martin weder mit einem Bauarbeiterkostüm noch mit anrüchigen Lebensmitteln zu behelligen. Ich fand unser Liebesleben eigentlich immer ausreichend erfüllt. Wir haben es sogar einmal spontan auf dem Sofa getan! Zugegeben, wir sind nach zehn Minuten dann doch ins Bett umgezogen, trotzdem, ich finde, das muss reichen.
    Ich blättere in meinem Tagebuch. Besonders voll ist es ja nicht geworden in der kurzen Zeit. Ich hatte schon befürchtet, unsere Geschichte sei zu Ende, aber jetzt, wer weiß? Vielleicht kann ich am Dienstag ein neues Kapitel beginnen?
    Ich lese ein bisschen herum. 25. April. Mensch, das scheint mir ewig her, fast wie in einem anderen Leben. Am 25. April war noch alles in Ordnung, zumindest glaubte ich, es sei alles in Ordnung. Wie hätte ich ahnen können, dass sich eine Frau Arschtritt Crüll da bereits wunderte, warum sie von ihrem Verlobten schon so lange nichts mehr gehört hatte und sich fünf Tage später aufmachen würde, mein Leben zu zerstören?

25. APRIL
     
    Zeit, Wetterlage, Sonstiges:
    Samstagnachmittag. Es regnet schon seit Stunden,
    und ich habe keine Ahnung, ob es draußen
    warm oder kalt ist, weil ich noch im Schlafanzug bin.
    Stimmung: Lust auf Kuchen,
    aber glücklicherweise zu faul, das Haus zu verlassen.
    Aufgeregt und ein bisschen ängstlich, liegt am Date
    heute Abend mit Martin bei seinem Lieblingsitaliener.
    «Wir werden Trüffel essen!», hatte Martin glücklich
    am Telefon gesagt. Ich darauf: «Au fein!»
    Habe aber keine Ahnung, ob mir Nudeln mit Trüffeln
    schmecken. Ich dachte immer, das seien Pralinen.
    Weitere Aussichten: Bin schon auf Seite drei
    von «Also sprach Zarathustra» und will bis heute Abend
    noch mindestens zehn Seiten schaffen, zwecks
    Allgemeinbildung. «Der Mann ohne Eigenschaften»
    habe ich in der Bücherei immerhin schon mal
    bestellt. Hat zweitausendeinhundertundsechzig Seiten.
    Auweia, das ist ja mehr als der dickste Harry Potter!
     
    Ich kenne Martin erst seit neun Tagen. Und ich frage mich schon, wie ich es die ersten zweiunddreißig Jahre meines Lebens ohne ihn aushalten konnte. Wie gut, dass ich nicht wusste, was ich nicht hatte. Es wäre nicht auszuhalten gewesen. Es ist wie mit Vollmilchschokolade: Solange du nicht weißt, wie sie schmeckt, weißt du auch nicht, was dir fehlt. Du lebst so vor dich hin und glaubst, du seist zufrieden, aber wehe, wenn du dein erstes Stückchen gekostet hast. Dann ist alles andere automatisch eine Enttäuschung. Jeder, der mal unglaubliche Lust auf Schokolade hatte und dem dann eine Tafel Zartbitter gereicht wurde, weiß, wovon ich spreche.
    Ich hatte mich bisher mit Zartbitter zufrieden gegeben und gedacht, das sei das höchste der Gefühle. Und jetzt, aus heiterem Himmel, hatte ich die Bekanntschaft mit zart schmelzender Sahne-Alpenmilch gemacht. Was für ein Unterschied, da werden Geschmacksnerven wach, von denen du nicht mal wusstest, dass du sie hast.
    Und ich habe nicht geahnt, wie verliebt ich sein kann. Durch meinen Vollmilch-Mann bin ich auf unentdeckte Liebesressourcen gestoßen, so wie J. R. Ewing auf immense Ölvorkommen unter

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