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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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sieht. Ich habe verschärft den Eindruck, dass Erdal es auch bereits allen Leuten, die ihm persönlich bekannt sind, weitererzählt hat. Wie anders ist es zu erklären, dass Super-Nucki mich heute mit den Worten begrüßte: «Na, heute schon studiert?» Martin hat heute nicht angerufen. Was soll ich tun? Mich entschuldigen? Ich schäme mich so fürchterlich, dass ich erwäge, meine Identität zu wechseln und nach Patagonien umzusiedeln.

28. APRIL
     
    Ich bin doch hier geblieben. Zum Glück, denn er hat angerufen und einfach nichts mehr über den Masturbations-Vorfall gesagt. Danke, gnädiges Schicksal. Heute Abend will er mir im Kino seinen Lieblingsfilm zeigen. Wie süß. Ich finde, wenn einer dir seinen Lieblingsfilm zeigt, dann ist das fast dasselbe, als wenn er dich seinen Eltern vorstellt. Er will, dass du Teil seines Lebens wirst, ganz eindeutig. Hoffentlich ist es kein Western, keine Science-Fiction, kein Kriegsfilm oder was mit Rittern.

29. APRIL
     
    Nun ja, der Abend, ich muss wohl eher sagen: die Nacht war nicht ganz nach meinem Geschmack. Ich hoffe nur, Martin hat nichts davon gemerkt. Ihm schien die ganze Angelegenheit nämlich außerordentlich viel zu bedeuten.
    Ich dachte, mich trifft der Schlag, als wir um kurz vor sieben vor dem Kino standen und ich die Ankündigung las: «19.00 Uhr - 3.00 Uhr: , Special Edition, Teil 1-3: , , (Episode IV.V.VI)».
    Da waren ja fast alle meine Abneigungen auf einen Schlag vereint: Blöde Ritter bekriegen sich in ferner Zukunft. Fehlte nur noch, dass der ein oder andere von denen auch noch ein Faible für Cowboyhüte hat oder gerne auf Zigarillos rumkauend im Morgengrauen Sachen sagt wie: «Zieh, Fremder!» Nein, ich war von Anfang an überhaupt nicht begeistert. «? Ist das nicht das mit den zwei Robotern?», fragte ich verzagt und outete mich dadurch sofort als absoluter Laie. Martin warf mir einen Blick zu, als hätte ich ihm wehgetan, und begann, mich geduldig aufzuklären. Es war das Verwirrendste und Langweiligste, was ich je gehört habe.
    Wir waren in einer so genannten langen Kinonacht gelandet, in der die digital überarbeiteten ersten Folgen gezeigt wurden. Diese ersten
    Folgen sind allerdings gar nicht die ersten Folgen, sondern die mittleren, und die echten ersten Folgen - dabei handelt es sich um die letzten Episoden - werden nach und nach später gedreht, bis als letzte dann irgendwann die dritte der neuen Episoden fertig gestellt wird.
    So was ist nicht zu begreifen für eine normal und geradlinig denkende Frau, ähnlich wie das Abseits im Fußball und das Handicap beim Golf, sicherlich auch zwei Absurditäten, die sich Männer ausgedacht haben, um Frauen was erklären und ihnen bei Bedarf immer wieder das Gefühl geben zu können, sie seien nicht ganz helle.
    Ich kaufte mir im Foyer eine große Tonne Popcorn und sechs Dosen Red Bull. Ich wollte auf keinen Fall bereits nach zehn Minuten wegdösen, mich nach meinem Bettchen sehnen und bei Martin den Eindruck hinterlassen, ich würde mich nicht für die Dinge interessieren, die ihm wichtig sind. Aber die Dosen Red Bull hätte ich mir sparen können, denn an halbbewusstes Dahindämmern war ohnehin nicht zu denken. Neben mir hatte ein besonders engagierter «Star Wars»-Fan Platz genommen, und ich erschrak jedes Mal schier zu Tode, wenn er mitten in der Vorstellung aufsprang, mit einem leuchtenden Plastikschwert in der Luft herumstocherte und den Satz mitschrie, der anscheinend von zentraler Bedeutung ist und der leider häufiger mal vorkommt: «Möge die Macht mit dir sein!»

 
30. APRIL
     
    Ich bin ziemlich gerädert, aber das Durchhalten der langen Kinonacht hat sich gelohnt. Ich glaube, Martin weiß dieses Opfer zu schätzen. Er hat heute Morgen ganz niedlich im Büro angerufen, sich nach meinem Befinden erkundigt und mich für heute Abend auf seine Dachterrasse eingeladen. Ich freue mich! Ich liebe diesen Mann! Auch wenn er einen scheußlichen Filmgeschmack hat. Es gibt nur einen einzigen Science-Fiction-Film auf der Welt, den ich mir freiwillig angeschaut habe: «ET».

 
  «Er liebt 
weiße Blusen. Und mich 
           stören sie nicht.»
     

    Es ist tatsächlich noch tausendmal schöner, als ich es in Erinnerung hatte. Die Vorhänge lassen ein wenig Licht durch. Statt des üblichen Motorenknatterns und des Getrampels der zwei Kinder über mir höre ich Vogelgezwitscher und das

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